Hessens UNESCO Welterben

Faszinierende Welterbestätten in Hessen

Deutschland, Welterbe  Oberes Mittelrheintal

Gnadenlos brennt die Sonne an diesem späten Vormittag des Frühherbstes auf die Köpfe einer

 handvoll Neugieriger, die tief hinunter in den Krater der Fossilienfundstätte Grube Messel hinab steigen.Deutschland, nördlicher Odenwald, Grube Messel

Hier, wo noch vor 47 Millionen Jahren Krokodile faul in der heißen Tropenhitze im Uferbereich eines damaligen Kratersees lagen, sich Affen durch den Regenwald hangelten und auf kleine Urpferdchen blickten. Zu dieser Zeit zeichneten sich  die heutigen Kontinente gerade erst allmählich ab. Teile Europas lagen noch weit im Süden, Deutschland auf der Höhe des heutigen Siziliens.

Mir jedenfalls kommt es so vor, als seien wir immer noch auf sizilianischer Höhe. Zum Glück bleibt unsere kompetente Führerin, Frau Dr. Marie-Luise Frey, im Schatten eines kleinen Stahlcontainers stehen.Deutschland, Grube Messel, Urpferdchen

Wie sie ihn dann öffnet, blicken alle Augen auf ein höchstens 40 Zentimeter kleines Urpferdchen. „Ja, eine solche Größe hatten einmal unsere ersten Pferde,“ sagt die Business Managerin der Welterbe Grube Messel auf unsere erstaunten Blicke. „Immer wieder starben Tiere  wie das kleine Urpferdchen hier im Wasser des damaligen Kratersees, sanken auf den Seeboden und wurden im sauerstofflosen Boden von abgestorbenen Algen bedeckt und konserviert. Heute werden sie mühsam fachgerecht freigelegt und für die Nachwelt in Epoxidharz verewigt.

Das war aber nicht immer so. Lange Zeit wurde der Ölschiefer hier im Tagebau in großen Mengen abgebaut und bei 500 bis 600 Grad unter anderem zu Lampenöl verschwelt. Zuletzt wollte man dieses riesige Erdloch im Landkreis Darmstadt-Dieburg als Mülldeponie nutzen, hatte dabei aber nicht mit dem Widerstand der Bevölkerung gerechnet. Heute schauen Besucher auf Fachleute, die mit Pinsel und kleinen Schaufeln unter Sonnensegeln sorgsam Funde aus dem Eozän freilegen und sie in Wassergefäßen deponieren, damit sie nicht zu Staub zerfallen.  Wie dann Frau Dr. Frey von einstigen Raubgrabungen erzählt, da horchen alle auf. „Für eine Million Dollar,“ so erzählt sie uns mit hochgezogenen Augenbrauen, „haben Unbekannte Ida, das neun Monate alte Uraffenmädchen im Jahre 2009 nach Oslo verkauft.

Im klimatisierten Wagen verlassen wir in der Mittagshitze bei über 30 Grad die UNESCO-Welterbestätte und machen uns auf den Weg in den südhessischen Kreis Bergstraße nach Lorsch.Deutschland, Hessen, Lorscher Rathaus

Heute merkt man nichts mehr davon, dass sich im frühen Mittelalter Händler durch die Rheinsümpfe zwischen Frankfurt und Mannheim quälen mussten, um hier auf dieser politischen und wirtschaftlichen Drehscheibe ihre Waren verkaufen zu können. Auch baute man hier ein Kloster, das zu den größten und bedeutendsten Klöstern Mitteleuropas aufstieg. Nachweislich hinterließen reiche Pilger für ihr Seelenheil um die 100 Schenkungen im Jahr dem Gotteshaus, dessen Besitztümer daraufhin bald von der Schweiz bis zur Nordseeküste reichten. Doch schon im Spätmittelalter setzte der Niedergang ein.Deutschland, Hessen, Königshalle in der karolingischen Torhalle

Heute steht nur noch die bekannte karolingische Torhalle, an der bis zur Mitte des kommenden Jahres Restaurationsarbeiten stattfinden. Bevor wir an Bauzäunen vorbei die Wendeltreppe hinauf zur Königshalle - einem der wenigen vollständig erhaltenen Baudenkmale aus der Zeit der Karolinger - hinauf steigen, fallen uns kleineDeutschland, Hessen, Lorsch

Auskratzungen im Mauerwerk der Torhalle auf. „Bei solchen länglichen Auskratzungen,“ weiß unser junger Museumsführer Florian Saum zu berichten, „geht man einmal davon aus, dass da Soldaten ihre Schwerter geschliffen haben, um den Segen für die Schlacht zu bekommen und in dem kleinen runden Loch haben Bauern Steinmehl ausgekratzt, um es ihren Tieren ins Futter zu geben, damit sie ebenfalls den Segen bekommen.“

Wie wir dann später zufällig den Leiter der Welterbestätte Dr. Hermann Schefers in seiner Freizeit treffen, da erzählt er von Afrika, dass man dort oft an Stellen steht, an denen man gar nichts sieht. Keine Markierungen, keine Monumente oder aufragenden Denkmäler, die einem das klar machen. Und doch ist dieser Fleck aus irgendeinem Grund für die Menschen dort bedeutsam und heilig. „Also auch hier muss man eine ganze Menge mitdenken. Man hat diesen architektonischen Anhaltspunkt, der in der Tat ungewöhnlich ist.Deutschland, Hessen, Lorsch

Archäologie ist immer Zerstörung, das müssen wir sehen. Wir machen heute vieles kaputt, was unsere Enkel in hundert Jahren vielleicht mit irgendwelchen technischen Möglichkeiten zerstörungsfrei erforschen könnten. So wie wir heute die Hände über dem Kopf zusammenschlagen über diese Graberei am Klostergelände nach der Methode der Reichslimeskommission: Loch gemacht, Mauer gefunden, Mauer entlang rumpeln bis man einen Grundriss zusammen hat und das ganze dann wunschgemäß datiert,“ ereifert sich der Welterbeleiter mit Lehrauftrag in Heidelberg.Deutschland, Lorch am Rhein

Uns zieht es an diesem späten Nachmittag zu einer weiteren Kulturlandschaft der UNESCO von großer Vielfalt und Schönheit, ins Mittelrheintal. Und hier in den „Freistaat Flaschenhals“. Von diesem Kuriosum, das ich erst für einen Scherz gehalten habe, erzählt mir die Hoteldirektorin Susanne Röntgen-Müsel vom Hotel „Schulhaus“ in Lorch bei einem guten Glas Wein am Abend. „Der Freistaat Flaschenhals entstand durch einen geografischen Fehler nach dem ersten Weltkrieg,“ sagt sie mir mit leuchtenden Augen. „Es wurden zwei gegenüberliegende Kreise von den amerikanischen und französischen Besatzungstruppen gebildet. Diese wurden jedoch nicht überlappt. Und so entstand ein Zwischenraum, der einem Flaschenhals ähnlich sah.  Der Landstrich Lorch im Wispertal wurde dabei übersehen. Was zur Folge hatte, dass die Bewohner durch die beiden Grenzen wirtschaftlich in Schwierigkeiten kamen. Sie durften die angrenzenden Besatzungszonen nicht betreten. Und so druckte man sich im neuen Freistaat zur Belustigung aller das eigene Geld, das tatsächlich im nahen Örtchen Kaub und in vielen weiten Ortschaften im Rheingau als Zahlungsmittel anerkannt wurde.“ Im Jahre 1923 machte man dem Spuk in diesem malerischen Landstrich ein Ende.

Der nächste Morgen beschert wieder einen dieser stahlblauen Himmel. Mit der Seilbahn geht’s vonDeutschland, Hessen, Assmannshausen

Assmannshausen hoch hinauf mit kurzem Spaziergang zum Jagdschloss Niederwald, in dem Konrad Adenauer 1948 mit den damaligen 11 Länderchefs das heutige Grundgesetz erstellte. Wir gehen weiter durch den Landschaftspark Niederwald, kommen nach kurzem Spaziergang zur Zauberhöhle und bleiben wie angewurzelt ein paar hundert Meter weiter am AussichtspunktDeutschland, Hessen, Mittelrhein

„Rittersaal“ stehen, der eine grandiose Aussicht auf das Rheintal mit der Zollburg Rheinstein gegenüber von Assmannshausen bietet. Hier bekommen wir einen kleinen Eindruck von den 40 Burgen, die im Tal zwischen Rüdesheim und Koblenz an 65 Stromkilometern in früheren Zeiten den mit Pferden oder Menschen ziehenden Treidelbooten den Wegzoll entnommen haben. Bevor wir jedoch das Niederwalddenkmal erreichen, gibt es noch einen weiteren Aussichtspunkt „Rossel“, der genau über dem Binger Mäuseturm thront.Deutschland, Hessen, Niederwalddenkmal

Der Stopp am Niederwalddenkmal oberhalb von Rüdesheim ist nur kurz. Jetzt „schweben“ wir mit der Seilbahn hinunter über die Weinberge und erleben einen herrlichen Panoramablick auf dieDeutschland, Hessen, Rüdesheim

Rüdesheimer Altstadt und den Rhein mit seinen grünen Inseln.

„Die Höhe“, wie der geschichtsträchtige Taunus viele Autokilometer weiter genannt wurde, hat die UNESCO 2005 mit dem Limes, der ehemaligen Grenze zwischen dem Römischen Reich und den germanischen Stammesgebieten, auf ihre Liste der besonders schützenswerten Bodendenkmale gesetzt.Deutschland, Hessen, Limes

Es ist die einzige vollständig rekonstruierte Befestigungsanlage nördlich der Alpen. Hier, am großen Hauptportal des Römerkastells, vor dem wir jetzt stehen, hat sich 1908 bei Fertigstellung der Anlage der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. mit seinem Pferd stolz fotografieren lassen - mit den Worten: Ich bin der Deutsch-Römische Kaiser.

Kurvig über hessische Berge und Täler führt uns unser Weg in den Norden des Landes, in eines der letzten großen und naturnahen Rotbuchenwälder Mitteleuropas, in das UNESCO Weltnaturerbe im Nationalpark Kellerwald Edersee.Deutschland, Hessen, Edersee

Da werden wir vom Edersee über schmale Pfade von den beiden Rangern Jörg Backhaus und Jutta Seuring hoch hinauf geführt durch einen Wald, der sich in der Zukunft selbst überlassen wird, der schnell verwildert. Dabei erstrecken sich solche sommergrünen Laubwälder ausschließlich auf der nördlichen Halbkugel und wie hier die Rotbuche, Fagus sylvatica, kommt jedoch ausschließlich in Europa vor.

"Der Kellerwald," so erzählt Jutta Seuring sehr engagiert, "weist die besten und ausgedehntesten bodensauren Buchenwälder des Mittelgebirges über Schiefer und Grauwacke auf. Seine Wälder zeichnen sich durch ihre Naturnähe und einen überdurchschnittlich hohen Altholzanteil mit Urwaldrelikten aus." Und Jörg Backhaus ergenzt, dass "alleine 18 von 22 in Hessen vorkommende Fledermausarten und sieben von zehn mitteleuropäische Spechtarten diesen Wald hier mit Leben füllen."

Auch beim anschließenden Picknick, bei dem ich mich am leckeren Bärlauchkäse und köstlicher Wildschweinwurst mit knackigen Brötchen inmitten liegender Bäume mit hellem Grün, das aus toten Bäumen sprießt, gütlich halte. Hier drehen sich die Gespräche um denDeutschland, Hessen, Nationalpark Kellerwald

Nationalpark. Dass keine Änderungen mehr durchgeführt werden, der Wald aus seiner Nutzung herausgenommen worden ist. Das ist die strengste Kategorie, die dem Naturschutz in Deutschland zur Verfügung steht. Halt ein werdender Urwald. 

Gänzlich anders dagegen genießen wir die gehobene Küche beim Abendessen im Schlosshotel Wilhelmshöhe in der Gebrüder Grimm-Stadt Kassel, in dem schon seinerzeit Willy Brandt mit Willi Stoph über Reisefreiheit verhandelt hat. Jetzt, nach solchen Köstlichkeiten, warten alle gespannt auf die abendliche Vorführung mit den Wasserspielen, die das UNESCO-Welterbekomitee im größten Bergpark Europas erst vor ein paar Wochen als einzigartiges Beispiel der Baukunst des Europäischen Absolutismus in die Reihe der besonders schützenswerten Kultur- und Naturgüter aufgenommen hat. Und wie es um 21:00 Uhr soweit ist, blickt eine riesige Schar von Zuschauern – man spricht offiziell von 100 000 Besuchern - auf eine nachtschwarze Bergwand, durch die vermutlich jetzt das Wasser von der hoch gelegenen Herkulesstatue zu Tal läuft und gleich eineDeutschland, Kassel, Bergpark Wilhelmshöhe

Fontäne in Gang setzt. Keine fantasievolle Beleuchtung der langen Strecke, keine Musik, die unter die Haut geht, nichts. Da hätte die Choreografie wohl ausgeprägter sein können.

Gerd Krauskopf

 

Infos:

Gut gewohnt habe ich

In Lorch

Im neu eröffneten, ruhig gelegenen Hotel Schulhaus weit ab von der lärmenden, viel befahrenen Bahnlinie,

Schwalbacher Straße 41,

65391 Lorch im Rheingau,

Tel: 06726 80716-0,

www.hotel-im-schulhaus.comDeutschland, Hessen, Lorch

 

 

Am Edersee im

Hotel Schloss Waldeck.

Schloßstraße 1

34513 Waldeck

Tel.: 05623 - 589-0

www.schloss-hotel-waldeck.de

Mit einer empfehlenswerten Museumsführung „hinter Schloss und Riegel“ nach einem Gourmet-Abendessen.Deutschland, Hessen, Hotel Schloss Waldeck

 

 

In Kassel im

Hotel Mercure Kassel

Spohrstrasse 4

34117 Kassel

Tel: 0561 72850

www.mercure.comDeutschland, Hotel Mercure Kassel

 

 

Weitere Informationen rund um die UNESCO-Welterbestätten in Hessen finden Sie hier:

 http://www.hessen-tourismus.de/reiseziele/unesco-welterbestaetten 

 

oder über Hessen allgemein:

www.hessen-tourismus.de