Bodensee-Untersee
Entdeckungen
am
Untersee des Bodensees
Die wachen Augen des Schweizer Bodenseefischers Rolf Meier blitzen im Sonnenlicht. Dabei lässt er seinen 40 PS starken Motor die 15 Kilometer von Ermatingen nach Eschenz auf dem spiegelglatten Wasser mächtig arbeiten.
Dort unten, kurz vor dem Ende des Untersees, wo der Rhein seinen weiteren Verlauf nimmt, da vermutet der gelernte Seefischer und Fischwirt, der seine Ausbildung in Starnberg gemacht hat, an diesem späten Nachmittag einen guten Fang.
Hier kennt er jede Stelle des Sees. Denn hier unten hat er 23 Jahre lang gefischt, bevor er vor fast drei Jahren von seiner Heimatstadt Mammern - nur einen Steinwurf von hier entfernt - der Liebe wegen nach Ermatingen gezogen ist. Dort haben sie sich ein wunderschönes altes Fachwerkhaus gekauft, in dem seine Frau Lucia mit ihrer Schwester Miyrta in der Küche das Restaurant „Seegarten“ betreibt. Und da dort die Arbeit bis spät in der Nacht anfällt, hält Rolf seiner Frau den Rücken frei und kümmert sich tagsüber um die beiden kleinen Kinder Luna und Misu. Am späten Nachmittag besteigt dann der engagierte Fischer, der seine Arbeit mit Herzblut betreibt, sein Boot, um seine Schwebenetze auszulegen. Dabei ist ihm der nachhaltige Fischfang äußerst wichtig.
Wie der Außenbordmotor laut arbeitet, erzählt Rolf mit erhobener Stimme, dass alle seine Vorfahren Jäger waren und er der erste Fischer in der Familie ist. Und dass sie ohne das Restaurant nicht alleine vom Fischfang leben können. Dafür gibt der See zu wenig an Fisch her.
Schon nach kurzer Fahrt taucht hoch oben auf einer Anhöhe das herrschaftliche Schloss Arenenberg mit dem Napoleonmuseum Thurgau auf, in dem Napoleon III. seine Kindheit verbrachte, während auf der gegenüberliegenden deutschen Seite die zum Landkreis Konstanz gehörende Insel
Deutlich fällt der mächtige Klosterbau auf, der im Jahre 2000 in die Liste der UNESCO-Welterbestätte aufgenommen worden ist. Wird doch von dieser Insel dank des milden Klimas die gesamte Region mit frischem Gemüse, Salaten und Wein versorgt.
Wie wir dann an der Insel Reichenau vorbei sind, werde ich in der Ferne an einen wunderbaren Spaziergang über die Anhöhen von Radolfzell erinnert, den ich mit der Biologin und Geografin Daniela Dietsche vom Naturfreundehaus Bodensee gemacht habe. Dabei haben wir lange auf einer Bank auf einer Anhöhe des Bodanrück gesessen und den freien Blick auf die Mettnau mit ihrem Naturschutzgebiet und die dahinter liegende Schweiz mit dem Thurgau genossen.
Weiter gehen wir in Richtung der Berg- und Hügellandschaft der Hegau. Da erzählte sie mir von dem kleinen Litzelsee, der sich spontan in einer Feldsenke bildet. Kein Mensch weiß, wann und wo das Wasser plötzlich her kommt. Irgendwann ist es dann einfach da. Und trotzdem leben dort ständig endemische Kleinkrebse, auch wenn kein Wasser vorhanden ist und dort - wie zur Zeit - Gerste wächst. Auf dem Rückweg zum Naturfreundehaus über den Natura Trail Untersee erfahre ich, dass er von Daniela Dietsche entwickelt und einer von 80 Natura Trails alleine in Deutschland ist. Dabei sind es Wanderwege durch Natura-2000-Gebiete, die deren Naturschätze erschließen. Ihre Botschaft lautet: Was wir kennen, können wir auch besser schützen.
Viele Schiffsschrauben-Umdrehungen später taucht auf der deutschen Seite die Spitze der Halbinsel Höri auf, die in der Zeit der Nationalsozialisten „entarteten Künstlern“ in einer idyllischen Landschaft in Schweizer Reichweite eine neue Heimat gab. Bis heute hat sich dort eine Künstlerszene fest etabliert.
Da muss ich an Otto Dix denken, der sich mit seiner Familie nach Hemmenhofen zurückgezogen hatte, nachdem man ihm seine Professur an der Dresdner Akademie entzogen hatte. Überliefert ist, dass sich der Großstadtmensch mit seiner neuen Wahlheimat nicht so recht anfreunden konnte. Ein viel zitierter Ausspruch erinnert daran: „Ein schönes Paradies, Zum Kotzen schön (...) Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh.“
Seit 2013 wird sein Haus dank des findigen Konstanzer Landrates Frank Hämmerle als grundlegend erneuertes Museum der Außenstelle des Kunstmuseums Stuttgart geführt. Da findet der interessierte Besucher nicht nur in Kattenhorn auf dem Schienerberg in der Petruskirche zwei riesige Kirchenfenster, die Otto Dix geschaffen hat, sondern auch im
Rathaus von Singen, in dem nicht alle Mitglieder des dortigen Gemeinderates die riesigen Fresken „Krieg und Frieden“ in ihrem Sitzungssaal gut geheißen haben.
Nur ein paar Straßenzüge weiter vom Rathaus in Singen locken Gemälde und uralte Autoschätze
im MAC-Museum Art & Cars. Da fällt ein Isotta Fraschini vom Typ 8 A von 1926 besonders auf, der nach Helsinki ausgeliefert wurde. Hier hatte sich der Besitzer, ein steinreicher Reeder, einen Schiffstelegraphen einbauen lassen, damit er in charmanter Begleitung von seinem abgedunkelten hinteren Wagenteil seinem Chauffeur signalisieren kann, dass er an einen bestimmten verwunschenen Ort fahren und dann Feierabend machen kann.
Recht verwunschen auch die „fabrik am see“, in der direkt am Naturschutzgebiet in Gaienhofen-Horn die erfolgreiche Künstlerin Beate Bitterwolf eine Akademie für zeitgenössische Kunst am Bodensee betreibt. Ihre staatlich anerkannte künstlerische Erwachsenenbildungsstätte zieht mit ihren hochkarätigen Dozenten Kunstinteressierte aus aller Welt an.
Auch in Wangen auf der Höri haben der Bootsbauer Ekkehardt Floetenmeyer mit seinem Bootsverleih mit wunderbar alten Booten und die Bildhauerin Vera Floetemeyer-Löbe einen Anziehungspunkt für Kunstinteressierte geschaffen. So haben sie in einem alten Kuhstall inmitten von Futtergängen eine Galerie eingerichtet. Unter der niedrigen Holzdecke sind sogar noch die Striche zu sehen, die Kuhschwänze hier hinterlassen haben. Vera nimmt auch gerne Gäste auf, die ihre Bildhauerkunst bei ihr ausprobieren möchten. Zwischen Hausarbeit und Wäsche schaut sie ihnen für einen kleinen Obolus dann ab und an über die Schulter und gibt wertvolle Tipps.
In ihrer riesigen Kulturscheune im ersten Stock werden Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen und Ausstellungen veranstaltet. Dabei schätzen feiernde Gäste zum Beispiel den Mongolengrill, bei dem mit Maurerkellen gegrillt wird. Und wer bei ihnen wohnen möchte, der kann das preisgünstig in einem urig alten Zirkuswagen machen, der auf dem Hof steht. Dabei freuen sich die beiden Ziegen Emil und Anton auf einen Spaziergang, die ohne anzuleinen gemütlich nebenher laufen. Dabei sollte man jedoch aufpassen, dass sie nicht in den prämierten kleinsten Bauerngarten Deutschlands laufen und dort die Kräuter und Blüten verspeisen, die auf 25 Quadratmetern in Töpfen und Fässern gedeihen.
„Obwohl der See nur noch so wenige Fische hat,“ sagt der Fischer Rolf Meier und lässt nach und nach an verschiedenen Stellen 1100 Meter Netze von der Haltestange ins Wasser gleiten, „möchte ich keinen anderen Beruf ausüben.“ Sein Urinstinkt hilft ihm dabei, die richtigen Stellen zu finden.
Am nächsten Morgen, als dann das erste Sonnenlicht die tiefschwarze, sternenklare Nacht ganz langsam verdrängt, zieht Rolf – noch Müdigkeit in den Augen – die Netze wieder ein. Seine Hände haben sich in all den Jahren an die nassen, kalten Netze gewöhnt. Und als dann inmitten eines kleinen Fanges aus Felchen, Ränken und Egli, den Flussbarschen, eine kapitale Äsche zum Vorschein kommt, da strahlen seine Augen und er freut sich ganz besonders.
Wie er mir dann mit Stolz – die Sonne hat schon lange den Horizont überschritten – die kleine Kiste mit der spärlichen Ausbeute zeigt, da deutet er noch einmal auf diese Äsche und sagt mit Stolz, dass sich Miyrta, seine Schwägerin und Köchin im Restaurant, darüber ganz besonders freuen wird.
Gerd Krauskopf
Infos:
Bodensee-Fischerei hautnah erleben:
Mit Rolf Meier, Restaurant Seegarten,
Untere Seestraße 39,
8272 Ermatingen, Schweiz
Telefon: +41 71 660 06 21
Weitere Informationen:
Thurgau Tourismus,
Egelmoosstr. 1,
Empfehlenswerte Hotels:
Hotel Ermatingerhof,
Hauptstrasse 82,
8272 Ermatingen,
Schweiz
Telefon:+41 71 663 20 20
Hotel Hoeri,
Uferstraße 20,
78343 Gaienhofen,
Deutschland
Telefon: 07735 8110
Kulturscheune und Übernachtung im Zirkuswagen in Wangen:
Vera Floetemeyer-Löbe, Bootsstüble –Wangen,
Seeweg 13,
78337 Öhningen-Wangen
Telefon: 07735 440662
Tierbeobachtungen auf dem Natura Trail Untersee:
NaturFreunde Bodensee e.V.,
Radolfzeller Str. 1,
78315 Radolfzell am Bodensee,
Telefon: 07732 823770
www.naturfreundehaus-bodensee.de
„fabrik am see“,
Akademie für zeitgenössische Kunst am Bodensee,
Hornstaaderstr. 7,
78343 Gaienhofen/Horn,
Telefon: 07735 938351
Empfehlenswerte Museen:
Museum Haus Dix,
Otto-Dix-Weg 6,
78343 Gaienhofen-Hemmenhofen.
Telefon: 07735 937160
(einfach Dix-Kachel auf Startseite anklicken)
MAC-Museum Art & Cars,
Parkstraße 1,
Ecke Schaffhausener Straße gegenüber der Scheffelhalle,
78224 Singen,
Telefon: 07731 92 65 374
Hermann-Hesse-Höri-Museum,
Kapellenstraße 8,
78343 Gaienhofen,
Telefon: 07735 440949
www.hermann-hesse-hoeri-museum.de
600 Jahre Konstanzer Konzil,
Tourist-Info,
im Bahnhof Konstanz,
78462 Konstanz,
Telefon: 07531 133 030
Die Deutsch/Schweizerische Kunstgrenze:
Bis vor acht Jahren waren die Uferabschnitte von Konstanz und dem schweizerischen Kreuzlingen durch einen Maschendrahtzaun getrennt. Im April 2006 wurde er von den Bürgermeistern feierlich durchschnitten und dann abgebaut. Ein Jahr später markierten 22 große Skulpturen vom international bekannten Künstler Johannes Dörflinger den Grenzverlauf – eine einmalige Attraktion. www.kunstgrenze.org/?page_id=46
Weitere Informationen:
Tourismus Untersee e.V.
Im Kohlgarten 2,
78343 Gaienhofen,
Telefon 07735 919055,