Polen, Warschau

Warschau: Das unterschätzte Reiseziel 

Warschau

Die moderne polnische Hauptstadt drängt ins Rampenlicht und bietet bei Streifzügen einen tollen Mix aus Historie, Kultur und Kulinarik 

Von Gerd Krauskopf

 Schon beim Anflug auf Warschau sticht der mächtige Kulturpalast inmitten moderner Hochhäuser sofort ins Auge. Einmal gelandet, präsentiert sich der in den 50er-Jahren gebaute Kultur- und Wissenschaftspalast mit seinen 234 Metern Höhe immer noch als das höchste und Warschaudominanteste Gebäude der Stadt. Seine monumentale Fassade ist durch Zinnen und Türmchen im Zuckerbäckerstil aufgelockert. Und dieses seinerzeitige Geschenk von Stalin möchten einige polnische Regierungsmitglieder am liebsten beseitigen. Jetzt aber bietet sich von der Aussichtsplattform im 30. Stockwerk ein Blick auf das Panorama Warschaus mit überraschend viel Grün. Dabei ist Warschau heute ein Ort, wo sich Neues leichter ausprobieren lässt. Jeder kann sich in der weitläufigen Hauptstadt Polens am beidseitigen Strom der Weichsel wohl Warschaufühlen. Dank einer boomenden Hightech-Szene und des stetigen Zuzugs von Menschen aus aller Welt wächst allseits die Lust auf mehr Kreativität und Vielfalt, erläutert Paweł Moras vom Warschauer Fremdenverkehrsamt. „Alle Touristen haben schon Krakau besucht,“scherzt derTourismusdirekor,„und jetzt wollen sie unsere schöne Stadt kennenlernen.“ Überall eröffnen in der Stadt neue Bäckereien, Läden für Delikatessen, Bistros und Restaurants. Und das spricht sich auch in der Gourmet-Szene herum, da man sich auch neben den Kultur Highlights gerne kulinarisch verwöhnen lassen möchte. 

Ein solches KulturHighlight ist zum Beispiel die Altstadt. Sie wurde nach der fast kompletten Zerstörung durch deutsche Truppen in den letzten Kriegstagen nach alten Plänen in den 1950er Jahren wieder aufgebaut. Dazu bedienten sich die Kunsthistoriker teilweise auch vorhandener WarschauGemälde des venezianischen Malers Canaletto aus dem 18. Jahrhundert. Heute merken die Besucher nicht, dass die meisten Gebäude rekonstruiert sind. Die Unesco hat 1980 das gelungene Werk mit der Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes gewürdigt. 

 

Ein Rundgang beginnt meistens auf dem Schlossplatz „Plac Zamkowy“. Inmitten von bunten Häusern und dem Königsschloss prangt die 22 Meter hohe Sigismundsäule,die an den polnischen König Sigismund III. Wasa erinnert, der Warschau 1596 zur Hauptstadt erklärte. Auf Schlossplatz „Plac Zamkowy“, Königsschloss, Sigismundsäule, Außengastronomiediesem weitläufigen Platz zeigen junge Künstler gerne ihre atemberaubenden Feuershows mit immer neuen Mustern und Formen. Weiter geht es vorbei am schmalsten Haus Europas mit einer Straßenfront von 72 bis 122 Zentimetern. Sodann führt die Gasse auf den großen Altstädter Marktplatz „Rynek Starego Miasta“mit seinen Restaurants und Cafés. Um einebronzene Skulptur, die das Warschauer Stadtwappen Syrenka“ darstellt, sind Tische und Stühle aufgestellt. Wenn nicht gerade ein Junggesellen-Abschied den Ort bevölkert, sollte man sich dort eine Pause gönnen.

 

Nach einem Kaffee oder einem Glas polnischen Chardonnays aus dem Dorf Zachowice geht's dann ausgeruht von dort aus auf die Einkaufsstraße „Nowy Świat“. Sie wird am frühen Abend Warschaufür den Verkehr gesperrt. Und wenn dann die Nacht einbricht, gibt es auch hier für die Jugend und die Junggebliebenen interessante Kneipen.

 

Wer sich die glitzernde Luxuswarenwelt nicht leisten kann oder möchte, fährt mit der U-Bahn – Metrolinie 2 – auf die rechte Weichselseite in den typischen Arbeitervorort und Szenebezirk Praga bis zur Station Dworzec Wileński. Dort, inmitten der von Kriegskämpfen verschont gebliebenen Häuser mit ihren Hinterhöfen, findet zum Beispiel so Warschaumanch eine Braut auf dem „Bazar Różyckiego“ sogar ein günstiges Brautkleid. Und nicht weit davon entfernt hat man in Europas einzigem Neon-Museum Leuchtreklame zusammen getragen, die in kommunistischer Zeit das triste Grau überstrahlt hat.

 

Nach so vielen Unternehmungen schmerzen die Füße und man sehnt sich nach Erholung. Da bietet sich der neu geschaffene, großzügige Weichsel-Boulevard an. Hier an diesem Warschauangesagten Treffpunkt der Warschauer auf der linken Flussseite gegenüber der Auenwaldvegetation trifft sich Jung und Alt.

 

Da klettern Kleinkinder unbekümmert auf riesige Steinskulpturen in weitläufigen Sandkästen und ihre Eltern gönnen sich an bunten Foodtrucks polnische Teigtaschen namens Pierogi sowie internationales Streetfood wie Tacos und asiatische Burger. Oder man schließt die Augen auf einem Liegestuhl und lässt den Besuch des Museums der Geschichte der polnischen WarschauJuden Polin“ Revue passieren, das anlässlich des 70. Jahrestages des Warschauer Ghettoaufstandes im Jahr 2013 teileröffnet wurde. Seinerzeit ging dort vor dem Eingang am Ehrenmal für die Helden des Warschauer Ghettos Willy Brandt 1970 bei einer Kranzniederlegung auf die Knie.

 

Mit all den vielen Eindrücken im Kopf von einer Stadt, die oft als touristisches Reiseziel unterschätzt wird, springt der mächtige Kulturpalast beim Abflug sofort wieder ins Auge. Jetzt, in der Dunkelheit, toppt von oben gesehen die Beleuchtung in den Regenbogenfarben all die Warschauumliegenden glitzernden Hochhäuser namhafter Architekten. Denn längst ist den Warschauern das einstige Symbol der sowjetischen Unterdrückung ans Herz gewachsen.

 

Weitere Informationen:

 

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel

Kultur- und Wissenschaftspalastplac Defilad 1, 00-901 Warszawa

Bazar Różyckiego,Targowa 54, 05-077 Warszawa

Neon Museum, Soho Factory, Mińska 25, Praga District, 03-808, Tel. 0048/ 665711635, www.neonmuzeum.org

Museum der Geschichte der polnischen Juden Polin“, Anielewicza 6, 00-157 Warszawa

Restaurants zum Beispiel: Rest Baczewskich, aleja Jana Chrystiana Szucha 17/19, 00-582 Warszawa, Tel. 0048/888522668, www.baczewskich.rest; Restaurants in der Markthalle Hala Koszyki, Koszykowa 63, 00-667 Warszawa; Restaurant Gessler, Warszawa Wschodnia by Mateusz Gessler, Mińska 25, 05-077 Warszawa, Tel. 0048/228702918, www.mateuszgessler.com.pl/restauracje/warszawa-wschodnia

 

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