Tessin Kraftorte

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Tessin - Achtsamkeitstraining an Kraftorten in bezaubernder Natur

Verzasca, Vergeletto und Onsernone: In den wild-romantischen Flusstälern lässt sich wandernd und beim Besuch jahrhundertealter Dörfer, die ihrer traditionellen Architektur treu geblieben sind, der Alltagsstress vergessen. Und die mondänen Touristendestinationen Locarno und Ascona am Lago Maggiore sind nie weit entfernt, falls es mal zu einsam werden sollte.

 

von Uwe Junker

 

Corippo – Selbstfindung im Verzascatal 

Im Tal rauscht die Verzasca und gelegentlich ist die Glocke der kleinen Dorfkirche zu hören. Sonst nichts – auch keine Autos. Denn die schmale Zufahrtsstraße endet in einigen Parkplätzen vor dem Ort. Das „Albergo Diffuso“ in Corippo ist ideal für Menschen, welche das Leben in einem authentischen Tessiner Dorf kennen lernen wollen, eine Auszeit vom Alltag suchen, den Kontakt mit den Einheimischen schätzen und gleichzeitig die Dienstleistungen des modernen Hotelgewerbes nutzen wollen.

 

„Wer kein Risiko eingeht, ist niemals frei“, stellt Désirée Voitle entschieden fest. Die junge Französin war jahrelang in unterschiedlichen Regionen ihres Heimatlandes als Hotelfachfrau unterwegs. Irgendwann lernte sie ihren heutigen Lebensgefährten Jeremy Gehring kennen, der aus der Romandie stammt und auf der ganzen Welt für Sterneköche gearbeitet hat. Die Beiden entschlossen sich zu einem wagemutigen Startup: Zu Ostern 2022 eröffneten sie ihre „Albergo Diffuso“ im denkmalgeschützten, weitgehend verlassenen Tessiner Dorf Corippo, das zuvor zurückhaltend, aber hinsichtlich des touristischen Komforts effektiv restauriert worden war. Die historische Architektur des authentischen Tessiner Dorfes wurde bewahrt: Nach italienischem Vorbild fungieren fünf der im Ort verteilten Rustici als Zimmer mit insgesamt 26 Betten, die engen Gassen bilden die Hotelgänge, während die Osteria als Rezeption und Treffpunkt mit Aussichtsterrasse zum Verweilen einlädt. Der generierte touristische Nutzen soll künftig den Fortbestand des Ortes sichern. „Mein Reich ist die Küche“, erklärt Jeremy, „Désirée organisiert Empfang und Zimmerservice“. Und zusammen müssen sie ihren quirligen zweijährigen Sohn Ernesto im Auge behalten, den derzeit jüngsten Dorfbewohner. Jeremys Kochkunst verwöhnt die Gästegaumen mit südalpinen Spezialitäten aus regionalen Produkten, z. B. Erdbeerrisotto mit zerkrümeltem Büscion oder Polenta aus der eigenen Mühle mit Gnocchi und Kaninchenragout nach römischer Art.

 

Direkt am Hotel beginnen Wanderwege durchs Verzascatal. Zum Beispiel flussaufwärts über Lavertezzo mit seiner pittoresken Römerbrücke bis nach Sonogno am Ende des Tals. Verzascatal. Hier ist der Fluss der Star! Sein smaragdgrünes Wasser gab dem ganzen Tal den Namen. Verzasca rührt vom Wortpaar „Verde“ und „acqua“ her – grünes Wasser. Immer wieder führen Pfade direkt an den Fluss, dessen klares Wasser zum erfrischenden Bad einlädt. In Brione Verzasca weitet sich das Tal. Hier lohnt der Besuch der Kirche „Chiesa della Beata Vergine Assunta“ mit einem Christophorus-Fresko neben dem Eingang und gut erhaltenen Fresken aus dem 14. Jahrhundert im Inneren einen Besuch. Sonogno, der höchste Ort im Tal, liegt in einem zur Verzasca hin offenen Talkessel. Der Blick auf die umliegenden Berge ist ebenso beeindruckend wie die frische Bergluft. Wanderer starten in Sonogno auf dem „Sentiero Val Verzasca“, der talabwärts bis an den Lago Maggiore führt. Wem die Füße müde werden, der überbrückt Teilstrecken mit dem Postbus, der regelmäßig von Ort zu Ort im Tal verkehrt.

 

Valle Onsernone – das wilde Tal   

Das Valle Onsernone ist eines der „wildesten“ Täler im Tessin. Charakteristisch sind seine urwaldartigen Wälder und tiefen Schluchten, durch deren Talgrund der Fluss Isorno führt. Das abgelegene Tal ist durch eine kurvenreiche Straße erschlossen, an der die hübschen Dörfer sich über 22 Kilometer wie Perlen aneinanderreihen. Die intakte, natürlich Umgebung war und ist Zufluchtsort und Inspiration für bekannte Schriftsteller wie Max Frisch und Alfred Andersch, sowie Künstler und Menschen, die alternative Lebensformen suchen. Weniger bekannt ist das Tal jedoch bei der jüngeren Generation.

 

Das will der 36-jährige Jungunternehmer Mike Keller nun ändern. Er stammt aus dem Onsernonetal und ist nach einigen Jahren in Amerika in seine Heimat zurückgekehrt. Mike ist fest davon überzeugt, dass die packende Naturschönheit des Tals auch ein jüngeres Publikum aus aller Welt anziehen wird. „Deshalb habe ich mit den Wild Valley Hostels ein Angebot für junge Reisende mit kleinem Budget geschaffen“, erklärt er. Die „Villa Edera“ in Auressio, (9a) die „Palm Terrace“ in Loco und das „Ostello Vergeletto“ im charmanten Bergdorf gleichen Namens sind Unterkünfte für Backpacker und Naturfreunde - alle in historischen Gebäuden, die liebevoll renoviert wurden und sowohl über Mehrbettzimmer als auch Einzel- oder Doppelzimmer sowie eine Küche verfügen, die zur allgemeinen Nutzung bereitsteht. 

 Für Erstbesucher des Onsernonetals hat Mike auch gleich einen Wandertipp parat: Über die „Via delle Vose“ auf den historischen Spuren der Bauern, die im Mittelalter über den alten Maultierpfad zum Hafen von Ascona oder auf den Markt nach Locarno gewandert sind. Ausgangspunkt der Tour ist Loco, in dessen Zentrum sich auch das Museum des Onsernonetals befindet. Wer sich für Kunsthandwerk interessiert, kann hier außerdem das Atelier Pagliarte besuchen, in dessen Werkstatt Hüte und Taschen aus Stroh gefertigt werden. Erreichbar ist Loco mit dem Postauto ab Intragna oder ab Locarno. Mit Steinen gepflastert, führt der Saumweg von Loco aus vorbei an den Weilern Niva und Vosa bis nach Pila. Dort wird man mit einem Ausblick bis zum Lago Maggiore belohnt. Die traditionellen Trockenmauern, eine Hebelpresse aus dem 16. Jahrhundert und die terrassierten Weinberge, denen man unterwegs begegnet, zeugen von der Geschichte der Region. In Intragna, dem Tor zum Centovalli, endet die Tour. Hier kann der Glockenturm der Kirche San Gottardo bestaunt werden, der mit 65 Metern Höhe der höchste im Tessin ist.

 

Kraftort Capanna Salei: Schattenboxen mit dem Zen-Meister 

Im Seitental Valle di Vergeletto führt die kleine Seilbahn Zott hinauf zum Natursteinhaus der Alpe Salei (1.700 m), die einst als Molkerei genutzt wurde. Inzwischen empfangen die Hüttenwirte Gianluca und Ilenia Besucher in der Capanna Salei und verwöhnen mit feinen hausgemachten Tessiner Spezialitäten. Viele Wanderwege starten hier, z.B. steil bergan zum „Pizzo Zucchero“, vom dem sich ein wunderbarer Blick auf den von Bergen gerahmten Lago Maggiore bietet. Schwindelfreie können auf der „Swing the World“-Schaukel hoch über dem Tessin schweben. Weniger anstrengend, aber ebenso lohnend ist der Weg zum stillen Salei-See.

 

Darüber hinaus bieten Gianluca und Ilenia immer wieder besondere Veranstaltungen an, die ihren Gästen Ruhe und Selbstsicherheit an diesem Kraftort (zurück) geben sollen.  So wird jeweils im August ein zweitägiges Tai-Chi Seminar mit Meister Roberto Daito Galli durchgeführt. Der italienische Zen-Mönch verfügt über mehr als 20 Jahre Praxiserfahrung in der asiatischen Bewegungskunst, studierte bei zahlreichen Meistern und erhielt 1992 in Shanghai bei den internationalen Meisterschaften die Goldmedaille. Sein Seminar im Onsernonetal ist sowohl für Anfänger wie auch für Fortgeschrittene geeignet. Mit den Teilnehmern praktiziert er die zum Tai-Chi gehörenden Übungen für ein langes Leben, die mit sanften, fließenden Bewegungen für mehr Vitalität, Präsenz für sich und das Leben, sowie für Ausgeglichenheit sorgen. Ergänzt werden die Bewegungen durch Gehmeditation und Entspannungsrituale, welche unter freiem Himmel an den Kraftorten des Berges durchgeführt werden.

  

Cardada – der Hausberg von Locarno 

„Es war traumhaft, die Schönheit der Schöpfung still in den Lüften gleitend zu genießen“, schwärmt Annette aus Deutschland. Sie hat gerade einen Tandem-Paragliding-Flug mit Frederico mit einer sanften Landung im Sand der Maggia-Mündung in den Lago Maggiore beendet. (14,15) Von oben hatte sie gleichzeitig sowohl Ausblicke auf den See als auch auf die mächtigen Berge der Schweiz wie den Mont Dufour, der mit seinen 4634 Metern der höchste Berg des Landes und des gesamten deutschen Sprachraums ist.

 

Auch wenn man kein Paragliding-Fan ist, lohnt die die fünfminütige Fahrt mit der ultramodernen Seilbahn von Orselina auf den Cardana (1340 Meter) und weiter mit dem Sessellift nach Cimetta (1670 Meter). Denn besagte Ausblicke bieten sich von der Panoramaplattform hier oben auch. Außerdem starten hier reizvolle Wanderwege mit klangvollen Namen wie z. B. der Weißtannenpfad über Monte Brè nach Locarno/Monti oder der Farnenpfad und der Rhododendronpfad, die beide nach Mergoscia führen. Wer auf dem Cardada noch etwas für seine Gesundheit tun und Vorbeugung gegen müde Füße betreiben möchte, dem sei das barfüßige Begehen des Relexzonenpfads empfohlen. Ein leichtes und wohliges Kribbeln stellt sich ein, dass von den Füßen aufwärtssteigt und die Lebensgeister weckt. Leider ermüden die Füße dann wieder beim steilen Abstieg über den Lärchenpfad nach Orselina zurück. Der wäre langweilig ohne die gleichermaßen zauberhafte wie berühmte Wallfahrtskirche Madona del Sasso an seinem Ende. Die empfängt müde Wanderer an diesem Abend  noch zu einem berührenden Gottesdienst mit Abendmahl,  begleitet von César Francks Panis angelicus in der Orgelfassung. 

 

Festival oder Kraftorte gefällig? 

Wer in den Sommermonaten im Tessin unterwegs ist, hat die freie Auswahl: Das Festival Moon&Stars mit internationalen Stars aus Rock und Pop auf Locarnos Piazza Grande, das Locarno Filmfestival oder das Ascona Jazzfestival ziehen jedes Jahr zahlreiche Besucher aus aller Welt an.

 

Und wer dann wieder Ausgleich zu diesem lauten Treiben sucht, dem mag der Monte Verità – der Berg der Wahrheit als stille Kraftquelle dienen. Auf dem Hügel oberhalb von Ascona gründete zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Gruppe von Personen unter der Leitung von Ida Hofmann und Henri Oedenkoven eine Kolonie. Sie befürworteten eine neue Lebensphilosophie, die auf der Rückkehr zur Natur, der Befreiung von allen Fesseln, der vegetarischen Ernährung, der Bewegung in der freien Natur, dem Sonnenbad, dem Nudismus und der Theosophie beruhte. 

 

Wer sich heute auf die Spur der energetischen Orte rund um den Wahrheitshügel begeben will, kann von hier aus zu einer Wanderung geführt vom Experten für Kraftorte starten. Vom Monte Verità geht es zum „Tal der Stille“, eine faszinierende Naturkathedrale, bis zur Spitze des Felsens „Balladrum“ mit seinen keltischen Wurzeln und weiter zur „Madonna della Fontana“, Quelle und beliebter Wallfahrtsort.

   

Weitere Informationen:          

 

Schweiz Tourismus, Am Tempelhofer Berg 7D, D-10965 Berlin, 

www.MySwitzerland.com. Generelle Informationen und Nachrichten zur Schweiz: www.swissinfo.ch, Tel. 00800/10020030.

 Tessin: Offizielle Webseite von Ticino Turismo: www.ticino.ch

Unterkunft:

Corippo: Albergo Diffuso - Hotel Restaurant. 6631 Corippo, Tel. +41 91 745 18 71, www.corippoalbergodiffuso.ch

 Auressio: Wild Valley Hostel Villa Edera, Via Cantonale 14 | 6661 Auressio,

Tel. +41 91 797 10 00, www.wildvalley.ch

Die anderen „Wild Valley Hostels“ werden ebenfalls zentral über Auressio gebucht.

Locarno: Hotel Rio Garni***, Via Collegiata 1,  6600 Muralto, Tel. +41 91 743 63 31, www.garni-rio.ch

 Angenehmes, sauberes Hotel in einer alten Villa in zentraler Lage fußläufig zu Bahn- und Busbahnhof, Altstadt und Seepromenade.

 

Paragliding:

Kontaktaufnahme über Stefano Genazzini, Tel. +41797967618 oder über die die Webseite www.fly.ticino.ch 

 

Festivals:

Ascona: Jazzfestival: 23.06.22-02.07.2022

Locarno: Moon&Stars-Festival: 14.07.22-24.07.2022

Locarno: Filmfestival 03.-13.08.2022