Mosambik

 

 

Von Luxusressorts  an paradiesischen Stränden

zu Menschen in Wellblechhütten

Eines dieser feinen Luxusresorts in Mosambik

Nur unweit vom absoluten Luxus der Morgenmarkt in Vilankulo, es ist halb acht. In den engen Budengassen herrscht rege Geschäftigkeit. Berge bunten Gemüses und exotischer Früchte türmen sich an den zahlreichen Ständen.

Morgenmarkt in Vilankulo, MosambikFleischer machen ihre Späße mit uns und Fischer bieten ihren reichhaltigen, frischen Nachtfang feil. Nur ein paar Stände weiter steigt mir der Gewürzduft Afrikas in die Nase. Schnell kaufen wir noch etwas zum Essen und ein paar Flaschen Wasser für unsere Insel ein, bevor es zum Strand geht. 

Insel Benguerua im vorgelagerten Bazaruto Archipel Wir haben da von der Insel Benguerua im vorgelagerten Bazaruto Archipel gehört und freuen uns auf einen langen Spaziergang an einem dieser paradiesischen, Puderzuckerweißen Strände. Haben wir uns doch viele Projekte der Deutschen Welthungerhilfe wie Busch-Straßenkind von MosambikKrankenhäuser, Schul- und Brunnenprojekte angesehen und müssen das erst einmal verdauen. Vielleicht bekommen wir auf diese Art und Weise unseren Kopf wieder ein bisschen frei vom Gesehenen. Von den Aidswaisen, die niemand aufnehmen will oder kann und die auf der Straße leben und sich aus Mülltonnen oder auf Müllkippen ihr Essen suchen.

Nicht ganz ungefährlich: Alberto mit seinen Freunden Oder Alberto, der mit seinen Freunden auf der Straße am Fuße eines Kriegerdenkmals in Maputo lebt. Da er nicht klauen will, versucht er, sich ein paar Meticais durch das Bewachen von geparkten Autos am Hauptbahnhof zu verdienen. Nachts schläft er in irgend einem Hauseingang in einem großen Pappkarton.

Aber jetzt kommen wir erst einmal am Strand an und dort warten bereits unsere beiden Fischer mit 

Alte Dhaus haben eine lange Tradition in Mosambikihrer alten Dhau, dem arabischen Segelboot, auf uns. Derweil wabern Nebelschwaden über das dunkle Wasser und eine dichte Wolkendecke verdeckt den Himmel. Als sie uns sehen, laden sie ihre Utensilien flink in ihre Dhau und verstauen unsere kleinen Taschen mit den Schwimmutensilien auf ihren im Boot liegenden Fischernetzen, da der Holzboden verschmutzt ist und Wasserpfützen hin und her schaukeln.

Mit viel Kraft schieben sie ihre Dhau ins tiefere Wasser und ehe wir uns versehen, sitzen Silvia, Albert und ich bereits in ihrem ungewöhnlichen Holzgefährt zwischen Dieselkanistern, Fischernetzen und allerlei Undefinierbarem.

Langsam gleitet jetzt die Dhau durch den frühen Morgen und mühsam wird das geflickte Leinensegel mit seinen unübersehbaren Löchern und kleinen Rissen an seinem Baumstamm ausgerollt. Mir wird in diesem Moment bewusst, dass sich seit Jahrhunderten bei diesen Fischern nichts geändert hat. Und so wird das Wissen der Vorfahren noch heute praktiziert und es scheint – bis auf den maroden Außenbordmotor – dass nichts dazu gekommen ist.

Hatte doch der Süden, in dem wir uns  hier in Mosambik befinden, schon einmal einen legendären Ruf als Urlaubsparadies – damals, als das Land noch eine Kolonie Portugals war. Und das war vor dem blutigen Bürgerkrieg, der auf die Unabhängigkeit folgte. Man erzählt heute, dass die damals sündige Hauptstadt Maputo zu den aufregendsten und verruchtesten Städten dieses Kontinentes zählte, zum Rio des südlichen Afrikas. Das sich auch heute wieder Luxus und Elend auf seltsame Weise vertragen.

Aber was soll’s. Maputo liegt einige Autostunden von hier entfernt. Jetzt und hier fehlt uns der richtige Wind zum Segeln und da versuchen die beiden Fischer, den Motor zu starten. Aber der mag heute gar nicht. Und so müssen uns unsere beiden Seeleute mit ihrer Muskelkraft unserem Ziel näher paddeln.

Walburga Greiner von der Deutschen Welthungerhilfe  mit ihren Schützlingen

Dabei wandern meine Gedanken zurück zu den vielen guten Projekten der Deutschen Welthungerhilfe und zu Walburga Greiner, die mit ihrem Team unermüdlich für diese Menschen hier im Einsatz ist. Von ihr habe ich erfahren, dass es bei allen Projekten wichtig ist, dass die Dorfgemeinschaft von Anfang an eingebunden wird und wenigstens mit einem kleinen finanziellen Beitrag beteiligt werden muss, damit sie sich mit dem Projekt identifizieren.

Eines der vielen Brunnenprojekte der Deutschen Welthungerhilfe in MosambikWürde man ihnen zum Beispiel einfach einen fertigen Brunnen zur Verfügung stellen, so lassen sie ihn bei erster Gelegenheit einfach verkommen und gehen dann zu ihrem alten Wasserloch zurück. Auch müssen immer Verantwortliche richtig ausgebildet werden, um spätere Reparaturen durchführen zu können. Walburga nennt das eine wichtige Hilfe zur Selbsthilfe.

Unsere alte Dhau bei der Überfahrt zur Insel Insel BengueruaIch komme aus meinem Tagtraum zurück. In der Zwischenzeit, ganz unmerklich, hat die Morgensonne die Wolken vertrieben und ihre Strahlen haben das vorher dunkle Wasser in ein helles türkis verwandelt, das friedlich und sanft auf mich wirkt. Auch beginnt die Sonne zu wärmen und ich kremple mir meine Hemdsärmel hoch.

Auf Benguerua soll es ein schönes Hotel mit dem Namen Marlin Lodge geben. Und da freue ich mich schon auf einen leckeren Drink. So wie am Anfang unserer Reise.

Flamingo Bay in Mosambik

Da haben wir schon einmal eines dieser Traumressorts mit Namen Flamingo Bay besucht, deren Bungalows auf Stelzen über einer Lagune thronen. Und vom Bett, auf dem ich mich seinerzeit probeweise gesetzt habe, konnte ich in ein offenes Traumbad blicken und weiter zu einem riesigen Fenster, dass das Farbenspiel der Lagune als atmosphärischer Hauptdarsteller frei gab. Solche Traumwelten sind jedoch den Einheimischen hier völlig fremd. Größtenteils leben sie in einfachen

Typische Behausungen in Mosambik

Wellblechhütten und von der Hand in den Mund. Viele freundliche Familien haben wir besucht und wurden von ihnen herzlich aufgenommen. Dabei haben wir ein bisschen von Ihren Sorgen und Nöten im täglichen Kampf ums Überleben mit bekommen.

Ich muss lange vor mich hin geträumt haben, denn in der Zwischenzeit haben sich die Morgensonne und der Wind durchgesetzt, so dass die Handarbeit eingestellt werden kann. Da zerrt das aufgeblähte Segel jetzt an dem gut zehn Zentimeter starken Baumstamm mit seinen vier Metern Höhe und lässt ihn ächzen. Mit Hanfseilen ist der Stamm an drei Seiten der Dhau zusätzlich verzurrt, damit das große Segel ihn nicht umwirft.

Derweil blicke ich auf den weißen Horizont, der langsam vor uns auftaucht. Der Traum vom Paradies nimmt langsam Gestalt an und lässt den für uns ungewöhnlichen Alltag in weite ferne rücken. 

Große Teile von Mosambik sind heute immer noch von Landminen verseucht

Dabei haben große Landstriche  im Landesinneren von Mosambik nichts paradiesisches an sich, wenn man mit dem Wagen durch sie fährt und nicht aussteigen darf, weil zahlreiche rote Tafeln mit Totenköpfen vor Landminen warnen.

Ein leichtes Rucken im Boot holt mich zurück ins Paradies. Wir sind am Ufer sanft im Sand mit der Dhau stecken geblieben. Soweit das Auge reicht ein unendlich großer, schneeweißer, feinster Korallensand. Unterbrochen nur von einigen wenigen, riesigen Palmen. Dabei hebt sich das Inselinnere mit üppigem Grün dezent ab und lässt ein tropisches Hotelressort für höchste Ansprüche mit luxuriösem Komfort dahinter erahnen.

Insel Benguerua im vorgelagerten Bazaruto Archipel

Mit einem schallenden Wow-Effekt und noch benommen von der Schönheit dieses Inseljuwels springe ich aus der Dhau und freue mich bei diesen hochsommerlichen Temperaturen auf süßes Nichtstun. Im Schatten einer Palme sitzen, die seidene Meeresluft genießen und in einer möglichen Hotelbar einen kühlen Drink nehmen.

Zuerst aber laufen wir in den badewannenwarmen, glasklaren Indischen Ozean und schwimmen uns die lange Dhaufahrt aus den Knochen.

Da wir keine Hotelgäste sind, haben wir anfangs Hemmungen, uns auf einem der am menschenleeren Strand stehenden gemütlichen Sonnenliegen mit dicken Polstern fallen zu lassen. Überlegen kurz und machen es uns dann doch auf dem Strandpolster bequem.

Von der Sonne gut getrocknet zieht es uns dann schließlich in die nahegelegene Hotelbar, wo man uns sofort herzlich willkommen heißt. Dabei erfahren wir, dass das Hotel eine gute Tauchschule und ein Zentrum für Angeln und Hochseefischen besitzt, zu dem unter anderem auch luxuriöse Hochseeyachten zum Fischen gehören.

Hotelsuit auf der Insel Benguerua im vorgelagerten Bazaruto Archipel Nach einem kühlen Drink verlassen wir unser gemütliches schattiges Plätzchen und werden zu einer Hotelbesichtigung eingeladen, da der einzige, freie Bungalow in Kürze von einem neuen Gast belegt wird.

Und so schlendern wir über Holzstege zu einem in der Natur versteckt liegenden Traum von Wohnresidenz mit stilvollem Ambiente.

Im großzügigen, angenehm gekühlten Inneren unter einer gewaltig hohen Decke bestaune ich die Naturmaterialien und einheimischen Hölzer, die hier stielvoll verbaut wurden. Dabei kommt mir wieder das schöne alte Colegio Maria Auxiliadora in Namaacha in den Sinn. Wie ich von Schwester Rosetta durch das heutige Internat geführt wurde. Sie erzählte mir, dass das Hauptgebäude 1966 eingeweiht wurde und 120 Mädchen dort eine Unterkunft gefunden hatten. Und dann, im Juli 1975, knapp einen Monat nach der Unabhängigkeit, wurde alles enteignet. Und erst zwanzig Jahre später, nachdem in diesem Hause Kinder morgens von 4 Uhr bis 7 Uhr in der Früh vor der Schule an Waffen zu Kindersoldaten ausgebildet wurden, hat man alles in einem unglaublich verwilderten Zustand übernommen. Nichts war mehr ganz, die Wasserhähne aus den Wänden gerissen, die Toiletten zerschlagen und alle Räume waren bis an die Decke mit Kot verschmutzt.

Colegio Maria Auxiliadora in Namaacha, in dem viele Aids-Waisenkinder aufgenommen werden

 Am Eingang zur Kapelle hat man zur ewigen Mahnung einen Spruch von Lenin erhalten: Um die Kultur des Volkes einzuführen, muss man die dekadente Kultur der Bourgeoise zerstören. Heute ist von alledem nichts mehr zu sehen und im Internat leben unter besten Verhältnissen 24 Mädchen aus Problemfamilien zwischen 6 und 16 Jahren.

Fassungslosigkeit über die Tatsache, Kinder zu mörderischen Soldaten zu machen, höre ich mit einem Ohr die freundlichen Worte unserer Hotelführerin, dass dieser Bungalow selbstverständlich auch seinen eigenen Zugang zum Strand hat und ich folge der jungen Dame nach draußen.

Während in Luxushotels sauberes Trinkwasser unbegrenzt vorhanden ist, müssen anderenorts Menschen weite Wege für diese Kostbarkeit zurück legen.

Komme dabei an einer Außendusche vorbei, die durch ihre schlichte, gestalterische Schönheit meine Aufmerksamkeit erlangt. Ich drehe den Wasserhahn auf und sauberes Wasser entströmt selbstverständlich dem Duschkopf. In diesem Moment denke ich wieder an die Menschen dort drüben auf dem Festland, die nicht das Glück haben, ihr Trinkwasser aus einem Wasserbrunnen der Welthungerhilfe schöpfen zu können, sondern ihr Trinkwasser aus einem Wasserloch entnehmen müssen.

Oft genug habe ich nur einige Meter weiter von diesen Schöpfstellen gesehen, dass andere ihre Wäsche im gleichen Wasser wuschen.

Man wartet draußen auf mich. Und so schlendere ich weiter und würde doch gerne auf einem der vornehmen Sessel hier auf dieser Holzterrasse sitzen und sinnierend auf das türkisfarbene Wasser schauen, um zu meinem inneren Gleichgewicht zurück zu kommen.

Später, lange einsame Strandspaziergänge später, haben uns die beiden Fischer wieder eingesammelt und es geht jetzt mit repariertem Motor zurück zum Festland. Während der Motor langsam vor sich hin tuckert denke ich daran, dass ich bei all den Projekten der Deutschen Welthungerhilfe gelernt habe, dass Glück und Geld nicht zusammen gehören. 

Das Lächeln der Menschen in Mosambik ist ansteckend!Das Lächeln und die Lebensfreude vieler materiell armer Menschen haben mich in Mosambik viel gelehrt. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Armut stärker bekämpft werden muss. Für mehr Menschlichkeit könnte man auf dieser Welt mehr tun.

Unterdessen spiegelt  sich farbenfroh der Sonnenuntergang in den seichten Wellen und Wolkenfetzen ziehen wie eingefärbte Wattebäuschchen am Himmel entlang. Für heute knipst wieder einmal ein ereignisreicher  tropischer Tag das Licht aus.  Bei aller Gegensätzlichkeit, ein beeindruckendes Naturschauspiel, ein Moment für die Ewigkeit.

 

Gerd Krauskopf