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Reiseberichte

Südsee

Samoa:

Eine Reise ans andere Ende der Welt

Samoa

Die Flut schäumt am Horizont über das Riff hinein in das seichte Wasser der türkisfarbenen Lagune. Bald wird sie die krabbenartigen Wurzeln in den nahen Mangroven nur einen Steinwurf weit hinter dem kleinen Dorf Saanapu auf dieser Landzunge erreichen. Derweil bewegt sich das Moskitonetz träge in der leichten Abendbrise.

Jetzt, um halb sieben, taucht der knallrote Sonnenball blitzschnell in die schäumende Gischt und lässt den Himmel noch einmal orangefarben nachglühen. Die frisch angesteckte und noch flackernd brennende Petroleumlampe versprüht ihr Licht in diese unmittelbar am Wasser stehende Holzhütte, die die Samoaner „fale“ nennen. Es ist eine nach allen Seiten offene typische Behausung.

Südsee-Lagune mit fales, der typischen Behausung, auf Samoa

Moskitos und einige Käfer umtanzen die leuchtende Kugel und wiegen sich vor den kleinen wachsfarbenen Eidechsen im Gebälk in Sicherheit. Beim gleichmäßigen Rauschen der Wellen ist der lange, über zwanzigstündige Flug über Los Angeles in den Südpazifik jenseits der Datumslinie bereits vergessen. Jetzt senkt sich die Nacht herab wie ein schwarzes Tuch und lässt das Geschehene wie einen Traum erscheinen:

Robert Luis Stevenson-Museum

Den Besuch des stattlichen Kolonialhauses des Autors Robert Luis Stevenson, der mit seinen Büchern „Die Schatzinsel“ und „Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ weltberühmt wurde. Über einen Pfad erreicht der Neugierige das Grab Stevensons hoch oben auf einem Hügel mit schöner Sicht auf die Hauptstadt Apia und das vorgelagerte Riff.

Auf die nun an Aufstieg gewöhnten Füße wartet nur eine Tagesumdrehung weiter eine sportlich herausragende Wanderung zum Kratersee Lake Lanotoó. Vorbei geht es erst einmal mit dem Wagen an allerorts sauber gehaltenen Grundstücken, auf denen Hütten stehen, die umgeben sind von Blumen, Palmen und Bananenstauden, dem reinsten Garten Eden in der Südsee. Dem unbefestigten Weg, auf dem der Wagen zurückgelassenen wurde, folgt unwegsames Weideland. Schnell gibt es der Wanderer aus Verzweiflung auf, nach größeren Steinen oder kleinen Hügeln inmitten von Pfützen und Schlammlöchern zu suchen. Da schwappt der erste Morast über den Schuhrand hinein. Der Regenwald hat nun die kleine Wandergruppe verschlungen.

Schlammschlacht am Kratersee Lake Lanotoó

Und irgendwann ist dem verzweifelten Wanderer auch dann später an den unzähligen Steilhängen auf nassem und rutschig rotem Regenwaldboden, auf dem Wurzeln und Schlingpflanzen oft zu Stürzen führen können, die völlig verdreckte Hose egal. Der Einzelne versucht nur noch heil bergauf und bergab, über querliegende große und kleine Baumstämme zu gelangen. Manchmal geschickt durch Eigenkraft, oft aber auch nur mit Hilfe einer stützend dargebotenen Hand.

Landschaft auf Samoa

Entschädigung für derartige Mühen findet das Auge im intakten Regenwald mit seiner artenreichen Vielfalt und der tiefen Genugtuung, ein solches – für Europäer unbekanntes – Abenteuer unbeschadet überstanden zu haben.

In den seichten Wellen einer Lagune labt sich der müde Wanderer und schöpft neue Kraft. Legt eine Pause ein. Döst im Schatten von Palmen im blütenweißen Sand. Sinnt darüber nach, ob wohl genau an dieser Stelle vor etwa hundert Jahren – als Samoa noch deutsche Kolonie war – bereits ein Landsmann die warmen Fluten genossen hat?

fale, die typische Behausung auf Samoa

Der Fremde ist aber auch gekommen, um sich auf samoanische Kultur einzulassen, freut sich darauf, mit den dortigen Menschen in der Dorfgemeinschaft zu wohnen und von ihnen zu lernen, wie sie im Ein­klang mit der Natur leben.

Leben in der Dorfgemeinsachaft auf Samoa

Staunt darüber, wie sie im Erdofen frisch geschlachtetes Schweinefleisch in großen Teilen zwischen faustgroßen runden Steinen – die vorher stundenlang erhitzt wurden – schmackhaft zubereiten. Keiner verhungert, der Wald und das Meer ernähren alle. Auch gibt es dank ständiger Monsunregen frisches Wasser im Überfluss. Der Gast erfährt aber auch dabei, dass die Arbeitslosigkeit bei 60 bis 70 % liegt und dass die meisten Jugendlichen zum Arbeiten nach Neuseeland, Australien und in die USA auswandern.

Samita mit seinem Vater, dem High Chief, der Sippenhäuptling im Dorf Uafato ist

Samita, 26 Jahre alt, ist da eine rühmliche Ausnahme. Er ist geblieben, seine Geschwister sind gegangen. Er will es sich beweisen, dass man auch hier seinen Weg machen kann. Hat ein kleines Stück Land außerhalb seines Dorfs Uafato bekommen und ein paar „fale“ darauf gesetzt. Im nächsten Jahr wird er kleine Touristengruppen darin beherbergen. Nur für eine Nacht, nicht mehr. Mehr Tourismus verträgt das Dorf nicht. Er wird die späteren Gäste dann in sein Dorf führen. So wie er die Fremden jetzt in sein Dorf geführt hat, zu seinem Vater. Der ist der High Chief, der Sippenhäuptling. Eine absolute Autorität, die auch im Parlament die Interessen seines Dorfes vertritt. Gewählt wird ein High Chief von den „matais“, den Familienoberhäuptern. Und eine solche Persönlichkeit sorgt für Ordnung im Dorf. Von den insgesamt neun Inseln, die vergleichbar zusammen so groß sind wie das Saarland, sind vier bewohnt. 170.000 Menschen leben in durchweg herausgeputzten Orten. Durch eben jene Persönlichkeiten. Sie sagen, wer was macht – oder nicht. Verhängen Ordnungsstrafen, wenn einer aus der Reihe tanzt, sein Grundstück zum Beispiel nicht piko bello in Ordnung hält. Alle sind sich aber auch darin einig, dass sie einfach ihre Lebensweise beibehalten und keinem Materialismus unterwerfen wollen.

Festmahl auf SamoaDa sitzen die Weitgereisten nun im Schneidersitz auf den Pandanusmatten am Boden des „fale“ gegenüber dieser Persönlichkeit mit Namen Samita Laumea Fué. Zollen ihm Respekt. Dabei hat so ein Sippenhäuptling nur die Aufrechterhaltung der Einheit seines Dorfes im Auge und kennt keinen Unterschied zwischen Religion und Kirche. Und es zeigt sich in der polynesischen Tradition eine tiefe Ehrfurcht vor dem Land, dem Himmel und dem Meer. Eine Tradition, die mit allen Mitteln fortgeführt werden will.

Tätowierungen des High Chiefs von UafatoErstaunt schielen die Fremden auf die Tätowierungen seines fülligen Körpers, die von den Kniekehlen bis hin zu den Hüften reichen, was bei den Südsee-Völkern ein hochgeschätzter Ausdruck von Kultur und Lebensart ist. Eine uralte, geachtete polynesische Kunstform, die die Ehre und den Mut des Mannes zeigen. Für ein solches „Tatau“ – das oft Geschichten von legendären Ahnen und großen Häuptlingen erzählt -, haben sie sich monatelangen Qualen aussetzen müssen.

Jetzt werden die Staunenden mit leisen Worten von seinem Sprecher Salailefulu Matapule begrüßt. Der High Chief lässt sprechen. In einer Kokosnussschale wird den Fremden kava gereicht – eine heilige Handlung. Geschöpft aus einer Tanoa, einer kunstvoll geschnitzten großen Holzschale. Mit dem anregenden Sud, der aus der Wurzel einer pfefferähnlichen Pflanze gestampft wird, ehren sie ihre Gäste. Und der Fremde trinkt in einem großen Schluck das schlammähnliche, leicht bittere Gebräu, was tatsächlich wie angekündigt Linderung vor der Hitze bringt. Bei der späteren Diskussion reden alle leise, denn man hat den Fremden eingeschärft, dass lautes Reden und lautes Lachen auf Samoa unfein ist. Hier wie überall herrscht „faa Samoa“ die traditionelle Lebensart. Man lebt, organisiert und arbeitet in der Dorfgemeinschaft zusammen. Keiner macht etwas für sich. Einer für alle, alle für einen. Und sonntags herrscht Ruhe. Absolute Ruhe. Da geht man in die Kirche. Da läuft nix, nicht mal baden gehen ist erlaubt. Auch nicht für Touristen! 

Alltag auf SamoaDabei geht die Dorfgemeinschaft des sozialen Friedens willen auch manchmal für Außenstehende unverständliche Wege. So in einem kleinen Nest namens Lona. Da ist ein Auswanderer wieder mit dickem Portemonaise nach zwanzig Jahren zurückgekehrt in sein Dorf. Hat sich einen neuen Bus gekauft und von den Dorfbewohnern für die beschwerliche Fahrt in die Hauptstadt Apia zehn Tala verlangt. Üblich waren aber nur zwei bis drei Tala. Er sah nicht ein, für die Fahrt mit seinem neuen Gefährt den alten Obolus zu bekommen. Und das Dorf war gegen diesen Preis. Alle haben sich daraufhin zusammengeschlossen und ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie so viel Geld nicht bezahlen können. Was vom Busbesitzer nicht akzeptiert wurde. Die Folge davon war, dass sie seinen Bus angezündet haben. Worauf er sich wieder einen neuen zulegte. Die fatale Folge neben einigen anderen Fehlern war, dass sie ihn eines Tages aus seinem Haus herausgezerrt und auf dem Dorfplatz vor seiner Familie erschossen haben. Die Familie wurde verjagt und der soziale Frieden war wieder hergestellt. Das ist jetzt drei Jahre her. Die Mörder laufen heute noch frei herum, denn sie haben im Sinne ihres Dorfes gehandelt. Man wird sich hüten, sie einzusperren. Denn dann kann es passieren, dass sich alle mit Basbollschläger und Flinten bewaffnet in ihren Bus setzen, zum Gefängnis fahren und ihn dort wieder herausholen.

Da wird den Fremden klar, dass diese Form der Autorität nicht nur Vorteile hat. Dass gerade Jugendliche dieser autoritären Führung vielerorts nicht standhalten können. Dadurch, dass mehr als die Hälfte der Samoaner im Ausland leben, wissen sie ganz genau, wie es im Ausland aussieht. Sie sehen auch die Veränderung, die ihre Verwandtschaft in Übersee durchmacht im Laufe der Jahre. Und sie wollen sich einfach zu Hause nicht mehr derart gängeln lassen. Und deshalb hat Samoa bei Jugendlichen zwischen 17 und 23 Jahren die höchste Selbstmordrate auf der Welt.

Familie vor ihrer Hütte, die die einheimischen fale nennen

Samoa ist aber auch noch unbeholfen mit seinen Touristen. Die Dorfgemeinschaften geben höchstens die Zustimmung für den Bau von einigen „fales“. Seit zwanzig Jahren steht im Tourismusbericht, dass im nächsten Jahr ein Zweihundertbetten-Hotel gebaut werden soll. Tatsache ist, dass es bis heute nie gebaut wurde. Es gab mehrere Plätze, wo dies projektiert wurde.

Es waren die Investoren da, es lagen die Baugenehmigungen vor. Aber es ist immer letztendlich an den Dorfbewohnern gescheitert, die gesagt haben, dass ihnen ihre Fische und ihr Feuerholz genau an dieser Stelle wichtiger sind als ein dickes Hotel.Abendstimmung auf Samoa

Und wenn der Investor das nicht begreift, schließen die „unbeugsamen Gallier der Südsee“ einfach seine Zufahrtsstraße. Und aus ist der Traum vom dicken Tourismusgeschäft – was den Individualtouristen natürlich freut. Denn nur so bleibt es für ihn sein idyllisches Paradies auf Erden.

Und wieder geht einer dieser eindrucksvollen Tage auf dem Polynesischen Archipel zu Ende. Der zufriedene Besucher lauscht den leisen Klängen einer Gitarre und zieht sich zurück.

Mit allen Sinnen horcht er in die rabenschwarze Stille hinein, schaut in den funkelnden Sternenhimmel hinauf und lässt lange das nun für ihn bekannte rauschen der Meeresbrandung auf sich einwirken. All das wird ihn prägen und für ihn unvergesslich werden.

 

Gerd Krauskopf

 

Infos:

Samoa war von 1900 bis 1914 deutsche Kolonie. Heute gibt es zwei Inselstaaten: Amerikanisch-Samoa und West-Samoa (seit 1962 unabhängig, Samoa).

Warmes tropisches Klima. Von Juli bis September zwischen 23 und 29 Grad Celsius. Von Dez. bis April gibt’s die meisten Niederschläge. Zwischen Mai und September weht der Passat. Dies ist die angenehmste Reisezeit.

Für Deutsche ist ein Aufenthalt bis zu 30 Tagen ohne Visum gestattet. Ein Rückflugticket muss bei der Einreise vorgelegt werden. Pass muss mindestens 6 Monate Gültigkeit haben.

Busfahrer auf Samoa

Busfahrer fahren oft rücksichtslos, wobei Samoaner überwiegend schlechte Autofahrer sind. Der allergrößte Teil der Fahrzeuge ist nicht versichert. Es müssen nicht einmal Mietwagen versichert sein.

Hauser exkursionen International GmbH, Spiegelstraße 9 in 81241 München, Tel. 089/235006-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! , führt zum Beispiel diese geführte zweiwöchige Reise durch.

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