Kulturelles Baden-Württemberg

Kulturelle und kulinarische Vielfalt im Norden Baden-Württembergs

Baden-Württemberg

Wie kaum eine andere Region Deutschlands war vor allem der Norden Baden-Württembergs über Jahrhunderte von zahlreichen kleineren Territorien geprägt, deren Unterschiede bis heute prägend geblieben sind.

Angefangen hat alles mit den Römern. Die zogen etwa 150 n. Chr. den obergermanisch-rätischen Limes-Grenzwall, der in Hohenlohe schnurgerade verlief. Der „Pfahldöbel“ zwischen den Zweiflinger Ortsteilen Pfedelbach und Westernbach ist auf 500 Metern der am besten erhaltene Abschnitt des Limes. Wall und Graben sind im Wald gut sichtbar. Er war ursprünglich neun Meter breit und zwei Meter hoch. Davor lag ein acht Meter breiter und 2,5 Meter tiefer Graben, der Höhenunterschied zwischen Grabensohle und Wallkrone betrug mindestens fünf Meter. Hier verläuft der Limes-Wanderweg und lädt zu Entdeckungen ein.

Baden-WürttembergDer Sechseckturm von Pfedelbach-Gleichen stand in der Mitte des Limesabschnittes zwischen Öhringen und Mainhardt auf der Hohenloher Ebene. Die Gestaltung des Turmes und sein Standort lassen vermuten, dass er ein Hauptpunkt für die optische Vermessung der mehr als 800 Kilometer langen Strecke zwischen Walldorf und Haghof bei Welzheim gewesen ist. Vom Turm aus war das Gelände bis dicht an den etwa 120 Meter tiefer liegenden Hangfuß einsehbar. Bei klarer Sicht reichte der Blick nach Norden weit über die Hohenloher Ebene hinaus bis zum rund 45 Kilometer entfernten Kastell Hönehaus. Auch in Richtung Süden ließ sich ein Großteil der Hochfläche in Richtung Mainhardt überblicken. Dies kann man auch vom Limes-Blick unweit der Ruine des Turms nachvollziehen. „Es gibt drei korrespondierende Plattformen“, erläutert Limes-Cicerona Doris Köhler. „Der Limes trennte damals zwei unterschiedliche Kulturräume. Er war keine unüberwindliche Grenze für die legalen und illegalen Einwanderer.“

Baden-WürttembergSeit Mai 2015 ist hier eine neu gegründete Gruppe aktiv. Sie nennt sich Numerus Aureliensis und tritt in alten Uniformen auf. „Habt ihr was zu verzollen?“ fragt der Wachposten. Nein, haben wir nicht und dürfen deshalb passieren. Ein Mann stellt gerade ein Kettenhemd her, 50 Stunden veranschlagt er dafür. Eine Frau webt Gürtel und Borten. Warum tun sie das? „Aus Interesse an der Geschichte“, lautet die Antwort.

Im baden-württembergischen Grenzland gibt es eine ganze Reihe von Kirchen und Schlössern. Das Kloster Maulbronn nördlich von Pforzheim gilt als die am vollständigsten erhaltene Klosteranlage des Mittelalters in Europa. Hier sind alle Stilrichtungen und Entwicklungsstufen von der Romanik bis zur Spätgotik in einer einzigartigen atmosphärischen Dichte vertreten. Die ab 1147 errichtete ehemalige Zisterzienserabtei liegt eingebettet in die sanfte Hügellandschaft des Strombergs. „Der Name Maulbronn rührt von Maultieren und Brunnen her“, weiß Peter Braun von der Schlossverwaltung. „Die Zisterzienser waren ein sozialer Orden, forderten keinen Zehnten und hatten ihre Blütezeit um 1220.“ Im Klosterhof des Unesco-Weltkulturerbes findet sich ein imposantes Ensemble unterschiedlichster Gebäude. Zu den architektonischen Höhepunkten gehören neben der romanischen Klosterkirche der gotische Kreuzgang und das Brunnenhaus innerhalb der Klausur. Die Klosterschule ist heute ein Internat für Jungen und Mädchen. Prominente Schüler waren Hermann Hesse und Friedrich Hölderlin.

Baden-WürttembergFür Kinder werden spezielle Führungen und Kurse wie Korbflechten und Brotbacken angeboten. Die Kochkurse in der Kinderwerkstatt finden inzwischen auch bei Erwachsenen Anklang. Heute steht die Herstellung von Maultaschen, einer schwäbischen Spezialität, auf dem Programm. Dazu wird der vorbereitete Nudelteig zuerst in Streifen geteilt, dann kommt die Grundfüllung aus Brät, Lauch und Sahne auf den Teig, die Taschen werden zugeklappt und mit der Gabel an den Rändern festgedrückt. Anschließend werden die Maultaschen auf einem Backblech in den Ofen geschoben und sind zehn Minuten später fertig. Seminarleiterin Angelika Braun zollt den Teilnehmern großes Lob: „Sie haben Ihre Sache gut gemacht“. Sie erhalten für die erfolgreiche Teilnahme am Seminar das Maultaschen-Diplom.

Baden-WürttembergDie Herrgottskirche in Creglingen ist wegen des von Tilman Riemenschneider gestalteten Altars berühmt. Dieser entstand in den Jahren 1505 bis 1520. Riemenschneider hat die Licht- und Schattenverhältnisse, die in der Herrgottskirche herrschen, ganz bewusst in sein Werk einbezogen. So fällt Mitte August, um Maria Himmelfahrt herum, die Sonne gegen Abend in einem ganz bestimmten Winkel in die Kirche ein, und Maria erstrahlt im Altarbild.

Schloss Weikersheim gilt als das schönste der Schlösser in Hohenlohe. Eindrucksvoll ist die perfekte Erhaltung nicht nur des Schlosses, sondern auch der Umgebung der gräflichen Residenz. Graf Wolfgang von Hohenlohe ließ das Renaissanceschloss um 1600 auf den Fundamenten einer alten Wasserburg erbauen. Der Rittersaal ist einer der am besten erhaltenen Festsäle der Zeit. Die Wohnräume enthalten noch die originalen Möbel. Glanzpunkt ist der barocke Schlossgarten mit seinen zahlreichen außergewöhnlichen Figuren. Graf Carl Ludwig ließ Teile seines Hofstaates als Zwergengalerie verewigen.

Baden-WürttembergBad Mergentheim besitzt eine reizvolle Altstadt. Das Deutschordensschloss in der Kurstadt war von 1525 bis 1809 Hauptsitz des Deutschen Ordens. Im Schlosspark laden ein aus künstlich angelegten Wasserläufen gespeister See und der als Insel darin liegende „Schneckenbuckel“ zum Verweilen ein.

Baden-WürttembergDer Eppinger Linien-Weg verläuft entlang der Linie, die 1695 unter dem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, auch Türkenlouis genannt, zur Verteidigung der Landesgrenzen gegen die Franzosen errichtet wurde. Der Gemminger Künstler Hinrich Zürn errichtete im Jahr 2014 entlang des Wanderweges an neun Stationen Großplastiken, die – so Zürn - „einen Bogen in die Jetztzeit schlagen sollen“. Das Schachspiel soll beispielsweise verdeutlichen, dass die einfache Bevölkerung den Preis im Pfälzischen Erbfolgekrieg bezahlt hat. 60 Prozent der Menschen verhungerten. Die Spiegel am westlichen Stromberganstieg zeigen verzerrte Bilder. Die Verzerrungen verstärken sich, je weiter man sich von den Spiegeln entfernt. Bei Sonnenuntergang biete sich ein grandioser Ausblick, meint der Künstler.

Baden-WürttembergIn den Grenzregionen spielt auch der Weinbau eine große Rolle. In Oberderdingen, zwischen Karlsruhe und Heilbronn, ist in einem alten Fachwerkgebäude das Weingut Lutz ansässig. Es veranstaltet in der Region Kraichgau-Stromberg mehrmals im Jahr „Grenzgängertouren” mit einem Oldtimer-Bus. Das rote Gefährt schnauft bergan durch die Weinberge zum Aussichtspunkt am Derdinger Horn. „Wir blicken hier von der württembergischen Seite auf die badischen Weinberge”, erklärt die Winzerin und Weinerlebnisführerin Barbara Schwemmle vom Weingut Lutz. „Unser Weingut bewirtschaftet sieben Hektar Rebfläche in Baden und zehn Hektar in Württemberg. Auf badischem Gebiet dürfen aber keine württembergischen Reben angebaut werden.”

Baden-WürttembergIm südlichen Taubertal, rund um Creglingen und Weikersheim, wachsen württembergische Reben. Ein paar Kilometer weiter im Norden beginnt mit Tauberfranken die nördlichste badische Weinbauregion. Aber im Taubertal treffen nicht nur das badische Tauberfranken und die nördlichen Ausläufer Württembergs aufeinander. Mit dem Weinbaugebiet Franken kommt auf bayerischer Seite ein weiteres hinzu, das dem Gemeinschaftsgefühl keinen Abbruch tut. Man versteht sich als einheitliche Region, und vielleicht verwischen auch deshalb die Grenzen hier noch mehr als anderswo. Etwa beim traditionellen fränkischen Bocksbeutel, der auch im badischen Tauberfranken, nicht aber im württembergischen Taubertal zum Einsatz kommt.

Baden-WürttembergDas Weingut Hofäcker in Weikersheim bietet grenzüberschreitende Weinerlebnistouren zwischen Franken und Württemberg an. „Auf den Wanderungen gibt es drei fränkische und drei Württemberger Weine, einen Grenztrunk und einen Grenztaler”, verspricht Rainer Hofäcker. Er baut außerdem den Tauberschwarz, eine Rarität des Taubertals und eigenständige Rotweinsorte, an.

Die Becksteiner Weinwelt schließlich lädt zu zahlreichen Veranstaltungen ein. „Die Gäste können mehr als 80 verschiedene Wein- und Sektsorten probieren”, sagt Michael Braun, geschäftsführender Vorstand. „Darunter befinden sich auch fränkische Weine im Bocksbeutel.” Stolz verkündet er, dass die drittälteste Winzergenossenschaft Badens 2014 bei der Berliner Wein Trophy als Deutschlands beste Winzergenossenschaft ausgezeichnet worden ist. Das Streben nach Qualität zahlt sich eben aus. Dieser Meinung sind nicht nur die Fachleute, sondern auch die Gäste, die jedes Jahr diese Region besuchen.

Norbert Krauss

 

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Informationen

Kraichgau-Stromberg Tourismus, Melanchthonstr. 3, 75015 Bretten, Tel. 07252/96 33-0, www.kraichgau-stromberg.com

Touristikgemeinschaft Hohenlohe, Allee 16, 74653 Künzelsau, Tel. 07940/18206, www.hohenlohe.de

Tourismusverband Liebliches Taubertal, Gartenstr. 1, 97941 Tauberbischofsheim, Tel. 09341/82580, www.liebliches-taubertal.de

Kloster Maulbronn, Klosterhof 5, 75433 Maulbronn, Tel. 07043/92 66-10, www.kloster-maulbronn.de

Weingut Lutz, Amthof 1, 75038 Oberderdingen, Tel. 07045/201900, www.weingut-lutz.com

Weingut Hofäcker, Queckbronn 3, 97990 Weikersheim, Tel. 07934/75 50, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Becksteiner Winzer, Weinstr. 30, 97922 Beckstein, Tel. 09343/500-0, www.becksteiner-winzer.de