Tölzer Land

Eine musikalische Kurzreise durch das Tölzer Oberland

- vom tiefen B zur Stub´nmusi

 

„Achtung, es wird jetzt laut, sehr laut.“ Thomas Stadler warnt fairerweise seine Zuhörer bevor er die gewaltige B–Tuba anbläst. Der sympathische junge Tubist, Absolvent des Salzburger Mozarteums und Mitglied des Blechbläserquintetts esBRASSivo beherrscht sein  9 ½ Kilo schweres Instrument scheinbar mühelos. 

 

Der Tubist Thomas StadlerDer tiefe Ton der solo gespielten Tuba fasziniert mich sofort – Richard Strauss klingt auf einmal so anders als gewohnt.

Ich bin in Geretsried. Die erst 1950 gegründete Stadt zwischen Loisach und Isar nahe Wolfratshausen im Oberland gelegen hat nichts von der anheimelnden Gemütlichkeit, die man sonst von den bayerischen Kleinstädten kennt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ort von Heimatvertriebenen besiedelt, die durch ihre vielfältigen landsmannschaftlichen Bräuche das kulturelle Leben bis heute bereichern.

Auch die Musikinstrumenten-Manufaktur Melton stammt mit ihrer über 200jährigen Tradition ursprünglich aus dem Sudentenland; der handwerklich überaus begabte Anton Meinl führte  ab 1947 das Unternehmen in der sechsten Generation in Geretsried fort.

Franz ReindlFranz Reindl, selbst Musiker, ist alles andere als nur ein routinierter Kundenbetreuer.  Der komplexe Produktionsprozess einer Tuba vom Metallrohling bis zum  hochglänzenden, handpolierten Instrument wird von ihm bei der Führung durch den Betrieb nicht nur Schritt für Schritt anschaulich erklärt, sondern mit erkennbarer Liebe zur Musik geschildert.   Man vergisst, dass man eigentlich eine Fabrik besucht, in der es nach Metall und Öl riecht und nicht alle Geräusche so wohlklingend wie das Spiel von Thomas Stadler sind.  Die Metallinstrumentenbauer stellen vom Jagdhorn bis zur Tuba mit handwerklichem Feingefühl eine beeindruckende Palette von Blechblasinstrumenten her. In der Melton-BlechbläsermanufakturNicht nur Spitzenmusiker aus aller Welt lassen sich bei Melton ihre Instrumente nach Maß anfertigen, sondern auch der Freizeitspieler aus der Blaskapelle findet hier sein Instrument.

Von Geretsried nach Lenggries-Schlegldorf sind es nicht einmal 25 km. Gefühlt bin ich in einer anderen Welt – ein Dorfidyll mit  gepflegten Bauernhäusern, üppigem Blumenschmuck  an den Balkonen und malerischen Gärten lässt mich durchatmen.  So kenne ich das Tölzer Land.

Der junge Zupfinstrumentenmachermeister Hubert Neumüller erwartet mich bereits mit seiner Frau Katharina, sie ist Geigenbauerin, und den zwei Kindern vor ihrem schmucken alten Bauernhaus. Die kleine Werkstatt riecht angenehm nach frischem Holz und Leim. Hubert Neumüller ist stolz auf seine edlen Tonhölzer, die er sorgsam lagert und in reiner Handarbeit in rund achtzig Stunden zu hochwertigen Akustikgitarren verschiedener Bauart verarbeitet, wobei jeder Arbeitsschritt sorgfältig dokumentiert wird. Er erzählt, wie die Kombination verschiedener Hölzer an den Resonanzdecken, den Böden, Zargen und Hälsen den Klangcharakter der Gitarren verändert – so entstehen individuelle, auf den Kundenwunsch abgestimmte Instrumente. Die haben auch ihren Preis – rund 3.000 Euro verlangt Hubert Neumüller für seine Unikate.

Der Girarrenbauer Hubert Neumüller

Eigentlich möchte ich das gastliche Haus gar nicht verlassen, aber ich habe für das Abendessen im nahegelegen “Schweizer Wirt“ einen Tisch reserviert. Barbara Hipp kocht selbst in ihrem gemütlichen historischen Gasthaus mit frischen Produkten aus der Region. Ich entscheide mich für ein Zanderfilet und werde nicht enttäuscht. Es ist echt lecker!

Die Kirche am Jasberger Hof

Die Familie EichnerWer eine urbayerische Bauernfamilie kennenlernen will, sollte den Jasberger Hof bei Dietramszell besuchen. Die nette Familie Eichner mit ihren fünf Kindern betreibt hier einen großen Bauernhof mit Laden, der an den Samstagen von 8:30 bis 12.00 Uhr geöffnet ist und fast alles bietet, was ein Städter von einem bäuerlichen Direktvermarkter erwartet. Von agrarindustrieller Produktion fi ndet man keine Spur. Dafür läuft dem Besucher vom Kleintier bis zum Großvieh alles über den Weg, was man sich auf einem Bauernhof so vorstellt. Mich beeindruckt aber die Familie selbst am meisten. Vater Josef erzählt in seiner ausgeprägten bayerischen Mundart, zugegeben, da habe ich schon mal Schwierigkeiten mitzukommen, von Leben und Arbeiten auf dem Hof. Ich habe das Gefühl, das Wort Stress ist in seinem Dialekt nicht enthalten! Ehefrau Barbara, ihre Schwester Josefa und die fünfzehnjährige Tochter Katharina haben noch eine Überraschung für uns. In der kleinen Kirche, die sich auf dem Grundstück befindet, spielen sie in bester alpenländischer Tradition zur Stub´nmusi auf. Die auf zwei Hackbrettern und einer Gitarre entstehenden gefühlvollen, manchmal melancholisch wirkenden Melodien berühren den Zuhörer sofort. Schade, ich wäre auch hier gerne länger geblieben.

Bergpanorama am Walchensee

Die letzte Station meiner kleinen musikalischen Reise durch das Tölzer Land führt mich bei herrlichem Spätsommerwetter zum Herzogstand am Walchensee. Eine Bergmesse mit Bläserbegleitung und Böllerschießen erwartet mich. Ich habe das Gefühl, ganz München hat sich aufgemacht, um den schönen Sonntag in der Natur zu genießen – entsprechend lang ist jedenfalls die Autoschlange. Die Auffahrt mit der Seilbahn zum Herzogstandhaus ist in wenigen Minuten erledigt und der Weg auf den Martinskopf strengt nicht allzu sehr an.Die Bergmesse am Herzogstand Ein kleiner, blumengeschmückter Altar am Gipfelkreuz, eine vierköpfige Blaskapelle und die Gläubigen, vielfach in Tracht, bilden den Rahmen für die Messe. In dem beeindruckenden Bergpanorama findet keine Folkloreveranstaltung für Touristen statt, sondern hier wird das religiöse Brauchtum durch die einheimische Bevölkerung sorgsam gepflegt. Die Blechbläser begleiten stimmungsvoll den Gottesdienst und der Böllerschütze erschreckt mit drei Schüssen  zum richtigen Zeitpunkt die Gemeinde. Die Menschenmassen, die auf den gegenüberliegenden Herzogstand wandern, stören die ruhige Stimmung der Messe nicht.

Der Böllerschütze begleitet die Bergmesse

Ich wandere zufrieden wieder zurück.

 

Rainer Schwirtzek

Infos:

www.toelzerland.lra-toelz.de

http://www.esbrassivo.de/

http://www.melton.de/

http://www.gitarrenbau-lenggries.de

http://www.schweizer-wirt.de