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Burgund, Zeitreise

Burgund: Eine Reise durch die Zeit

 

Burgund 

Die zentralfranzösische Region hat viel mehr zu bieten als gutes Essen und guten Wein – etwa ein bedeutendes kulturelles und historisches Erbe und eine Burg, die mit Techniken aus dem 13. Jahrhundert neu gebaut wird

 

Von Gerd Krauskopf

 

 Auf eine Burg muss man reiten – und sei es nur auf einem Esel. Die heutigen Burgbesucher jedoch kommen mit reichlichen Pferdestärken unter der Haube ihrer „Kutsche“ zur Burg Guédelon im Norden Burgunds 200 Kilometer südlich von Paris. Sie liegt mitten in einem riesigen Laubwald, in dem Eichen und Fichten dominieren. In einer Gegend, die nicht zu BurgundUnrecht als mittelalterliches Zentrum des Abendlandes und „Wiege der Christenheit“ gilt. Größere und wohlhabendere Klöster gibt es in keiner anderen Region Frankreichs. Schlösser, Burgen, Kathedralen und Abteien zeugen in Burgund noch heute vom Bauboom im Mittelalter, der diese französische Region zu einem Hot Spot für romanische Kunst gemacht hat. 

 

BurgundDer Clou: Bei der Burg Guédelon handelt es sich nicht um ein Herrschaftssymbol aus dem Mittelalter, sondern um einen Burgneubau mit Werkzeugen und Techniken aus dem 13. Jahrhundert. Angewandt von Fachleuten, die sonst nur mit modernsten Maschinen arbeiten. Michel Guyot, der Begründer des Projekts, und weitere Mittelalterfans und Historiker hatten 1995 die Idee und sammelten Geld. Chefplanerin Maryline Martin klärte die baurechtliche Seite Burgundmit den Behörden ab. Die Pläne hatte man den seinerzeitigen Standards einer Festungsarchitektur von König Philipp II. August angepasst. So konnte, nachdem ein geeigneter Platz gefunden wurde, an dem ausreichend Baumaterialien wie Stein, Holz und Wasser vorhanden waren, der erste Stein 1997 gesetzt werden. 

 

Burgund„Nirgends in Europa gibt es ein solches Projekt wie hier“, erzählt Hein Kuenen mit Stolz. Der Niederländer ist seit 2006 dabei und hätte niemals gedacht, in einem Steinbruch zu arbeiten. Wie alle Handwerker trägt auch er die mittelalterlichen Gewänder – bis auf die heutigen Stahlkappenschuhe und eine Schutzbrille. So wurde es von den Behörden vorgeschrieben. Das Projekt finanziert sich durch Eintrittsgelder, nachdem der französische BurgundStaat und die Europäische Union Guédelon mit 2,5 Millionen Euro unterstützt haben. Während sonst jährlich gut 300.000 Besucher den Baufortschritt verfolgen, waren es in diesem Jahr coronabedingt nur noch die Hälfte der Gäste. So bekamen in diesem Jahr auch nur 60 Mitarbeiter - statt sonst 120 - einen festen Arbeitsvertrag. Begleitet wird das Projekt von Fachberatern aus den Bereichen Kultur-, Bau- und Kunsthistorik, Architektur und Archäologie.

 

Besucher können in der mittelalterlichen Siedlung, die um die Burg herum entstanden ist, Handwerkern bei der Arbeit über die Schultern schauen. Wie sie Dachschindeln, Körbe, Töpferwaren, Fliesen, Nägel, Werkzeuge, Seile, Balken, Wolle und Kleidung herstellen. Außerdem werden Pferde, Schafe, Schweine, Gänse, Hühner und Enten gehalten. Bevor Hein wieder in seinen Steinbruch entschwindet, in dem er mit seinem Kollegen Luc Marques mit Burgundeinfachen, zeittypischen Werkzeugen Steine bricht, muss er noch schnell ins Holz-Laufrad eines Tretkrans steigen. Schließlich müssen die schweren Steinbrocken, die gerade von einem großrädrigen Pferdewagen aus dem Steinbruch angeliefert worden sind, hoch zu den Arbeitern auf die Burgmauer transportiert werden. Wie ein Hamster rennt er im Laufrad los, und die schwere Holzkiste mit den vorgefertigten massiven Steinen wandert am Seil mittels Lenkrolle – einem Flaschenzug gleich – hoch zu den Arbeitern.

 

BurgundDie Zeit vergeht wie im Flug und die Gäste verlassen – eine Staubwolke hinter sich herziehend – die großen Parkplätze. Im Pool des einsam gelegenen, hübschen Hôtels reden sie beim Planschen noch lange über die beeindruckende Baustelle, die für sie wie ein Sprung ins Mittelalter war.

 

Burgund, das ist vor allem die Geschichte der berühmtesten Herzöge Frankreichs und ihrer sagenhaften Schlösser. Und so geht's am nächsten Morgen zum Schloss Saint-Fargeau, das nur einen Katzensprungentfernt thront. Dessen Anfänge gehen, so erzählt es die BurgundSchlossführerin Françoise, auf ein befestigtes Jagdhaus des Bischofs Héribert d’Auxerre im Jahr 980 zurück“. Im 14. und 15. Jahrhundert erhielt es die Form eines Fünfecks mit sechs Türmen. Im Jahr 1979 wurde das inzwischen baufällige Schloss restauriert und heutzutage findet, wenn nicht gerade eine weltweite Pandemie wütet, alljährlich ein historisches Sommerspektakel mit 600 Akteuren statt, bei dem Françoise den Schlossgeist spielt.

 

Mit den heutigen pferdestarken „Kutschen“ knapp zwei Stunden entfernt thront majestätisch Château d'Ancy-le-Franc in der Stadt Ancy-le-Franc. Es gilt als eines der schönsten Renaissance-Bauwerke in Frankreich.In der Mittagssonne lässt die Sonne den hellen Sandstein-Feudalbau noch prachtvoller erscheinen. Das Renaissanceschloss der Burgundburgundischen Herzöge wurde vom damaligen italienischen Stararchitekten Sebastiano Serlio erbaut. Er war Hofarchitekt von Franz I. und Meister der Symmetrie in der Architektur des 16. Jahrhunderts. Innen schmücken gut restaurierte Malereien den Palast. Eine Augenweide sind die grandiosen Kassettendecken und die Fresken der Salons.

 

Allerorts merkt der Gast, dass die Region stolz ist auf ihr Kulturerbe. So auch auf das Château von Bussy Rabutin, das zügellos in einer Stunde nahe des Dorfes Bussy-le-Grand erreicht wird. Der hoch dekorierte Lieutenant-Général hat am königlichen Hof Ludwig XIV. ein Buch über die geheimen Liebschaften der Pariser Hofdamen und die erotischen Abenteuer seines Königs Burgundmit Madame La Vallière veröffentlicht. Das führte ihn zunächst ein Jahr lang in die Bastille und anschließend in die Verbannung hier ins Château de Bussy Rabutin. Noch heute zeugen 300 gut erhaltene Portraits von den Leidenschaften des Comte de Bussy-Rabutin. Es sind Geschichten von Liebe und Verrat, Spielereien für den Geist und Sinnsprüche über das Exil und das Gefühl von Ungerechtigkeit.

 

Allgegenwärtig ist die Geschichte auch in Vermenton im ehemaligen Zisterzienser-Kloster Reigny. In der zauberhaften, gemütlichen Bleibe nächtigte bereits „Coco“ Chanel in den 1930er Jahren. Einst lebten hier im Mittelalter bis zu 300 Mönche. Die aufgebrachte Menge der Französischen Revolution zerstörte große Teile der Abtei und die bedeutende Klosterkirche. Das Gotteshaus war seinerzeit dreischiffig in Form eines lateinischen Kreuzes mit halbrund Burgundgeschlossenen Staffelchören angelegt. Heute vermietet Louis-Marie Mauvais auf dem idyllischen Anwesen im erhaltenen zisterziensischen Refektorium aus dem 14. Jahrhundert sechs altehrwürdige Zimmer. Der inspirierte Hausherr und engagierte Küchenchef präsentiert eine Speisekarte, bei der den Gästen bereits beim Lesen das Wasser im Munde zusammenläuft. Und dann erst das Essen selbst! Ihm merkt man Mauvais’ große Hingabe und die Freude am Umgang mit frischen Lebensmitteln aus der Region stark an. 

 

In all den faszinierenden Kulturgütern, die nicht nur allerlei Überraschungen bereithalten, kommen Liebhaber alter architektonischer Meisterwerke, guten Essens und guter Weine zum Zug. Und Reisende, die das Erwachen der Sinne dem grellen Glanz überfüllter Küsten vorziehen, reisen bestimmt gerne wieder ins Burgund.

 

Weitere Informationen:

 

Atout France/Französische Zentrale für Tourismus: Postfach 100128, 60001 Frankfurt, Tel. 0900/1570025 (49 Cent/Minute), Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! , https://de.france.fr/de 

 

Wichtige Adressen in Burgund: www.burgund-tourismus.com, www.tourisme-yonne.com, www.cotedor-tourisme.com

 

 Burg von Guédelon: D955, Treigny-Perreuse-Sainte-Colombe, Frankreich, Tel. 0033/386456666, Eintrittspreise Erwachsene 15 Euro, Kinder 5,60 Euro, Die Fertigstellung der von Guédelon steht noch nicht fest. Gearbeitet wird von Mitte März bis Mitte November. 

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