Der Rheinfall

Was für ein Rheinfall

Rheinfall

 

Bei Schaffhausen in der Schweiz stürzen die Fluten des Rheins 23 Meter tief ab. das spektakuläre Naturschauspiel zieht Gäste aus der ganzen Welt in Bann.

 

Von Gerd Krauskopf

 

Für Negin aus Teheran ist der Rheinfall Höhepunkt ihrer Rundreise mit ihrer in Cottbus studierenden iranischen Freundin Parmida. Mit großen Augen schaut sie lange auf die gewaltigen Wassermassen, die mit mächtigem Donnern und Rauschen in die Tiefe stürzen. In ihrer Heimat müsste die junge Frau jetzt züchtig gekleidet stehen und ihr langes Haar mit einem Kopftuch bedeckt haben. Hier freut sie sich darüber, ein leichtes Sommerkleid tragen zu können.Lange steht sie so da, blickt auf das tosende Wasser und vergisst fast ihre Umwelt.Rheinfall 

Auf dem Weg vom Bodensee nach Basel stürzen bei Neuhausen im Schweizer Kanton Schaffhausenauf einer Breite von 150 Metern in jeder Sekunde zur Zeit fast 500 Kubikmeter Wasser 23 Meter in die Tiefe. Nur zwei einsame Felsen in der Mitte haben bisher der tosenden Wasserkraft dauerhaft standgehalten. Auf dem größeren der beiden flattert stolz die Schweizer Fahne. Dorthin manövrieren durch den zischenden und sprühenden Hexenkessel erfahrene Kapitäne vom "Rhyfall-Mändli" kleine überdachte Fährboote, an Bord mutige Touristen. Bereits 1895 brachte der Ururgroßvater von Schiffahrtsunternehmer Thomas Mändli die ersten Touristen mit zwei Ruderern zum Felsen. Den Gästen damals und heute scheint der Sprühnebel nichts auszumachen. Nach einem wackeligen Bootsausstieg Rheinfallkraxeln die Passagiere über Leitern und Stufen hinauf auf den Felsen zur Schweizer Fahne. Um sie herum tobt das Wasser, und die Gischt zieht weite Fahnen. Dabei war im Mittelalter der Rheinfall – das böse Monster“ – vielen Menschen ein Dorn im Auge. Besonders, weil er für die Schiffe unüberwindbar war. Und so wurden zahlreiche Projekte zur Schiffbarmachung des Hochrheins entworfen. So zum Beispiel eine Überwindung des Wasserfalls mit Hilfe von 10 Schleusenbecken. Alle diese wahnwitzigen Projekte wurden geprüft und aus Kostengründen wieder verworfen. Die kühnste Idee lieferten die Holländer. Sie wollten die beiden Felsen im 16. Jahrhundert einfach sprengen. Dadurch erhoffte man sich eine Schifffahrt von Holland bis zum Fuße der Alpen. Heute würde dem Rheinfall ohne diese beiden Felsen ein wichtiger Identitätsfaktor fehlen.Rheinfall

Die Besucher, die inmitten des tobenden Wassers auf den Felsen hinauf gestiegen sind,   ahnen nichts davon, welche Vorkehrungen zur Standsicherheit der beiden Felsen getroffen werden. So müssen nach regelmäßigen, intensiven Untersuchungen alle zwanzig bis dreißig Jahre in den Wintermonaten bei Niedrigwasser mit Flüssigbeton die frei gespülten Stellen in den beiden Felsen aufwendig gefüllt werden. „Bei Minusgraden“, sagt Fremdenführerin Heidemarlen Landmark, „ist das eine sehr mühsame Arbeit. Aber nicht auszudenken wäre der für uns „heilige Wasserfall“ ohne die beiden Felsen.“ Und dann erzählt sie von früheren Zeiten, wo es im Wasserbecken unterhalb des Rheinfalls nur so von Lachsen wimmelte. Man konnte sie mit bloßen Händen fangen. Der heutige Edelfisch galt deshalb damals als „Armeleutessen“. Durch den Bau der vielen mächtigen Stauwehre im Rhein schafft es der Lachs heute nicht mehr bis hierhin.

 

Drüben, und dabei zeigt die Fremdenführerin zur anderen Rheinfallseite hinauf, thront auf einem Felssporn seit dem Jahr 858 Schloss Laufen, das eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Dort haben schon so prominente Leute gewohnt wie Goethe und der Kaiser von Österreich mit seiner Frau Sisi. Heute gehört die andere Rheinuferseite zum Kanton Zürich. Vom Schloss – das aufwändig restauriert worden ist – kann man mit einem gläsernen Fahrstuhl hinunter fahren und gelangt so durch einen Felsengang auf eine Plattform direkt am Wasserfall. Wasserscheu darf man dabei nicht sein: Der Sprühnebel legt sich auf jedes RheinfallKörperteil. Höhepunkt des Ausflugs: Von der Plattform aus kann man die Hand in die Gischt halten, den Wasserfall hautnah spüren. Zurück im Schloss ist der ehemalige Bannersaal mit seinem heimeligen Kamin und der großen Terrasse eine gute Adresse mit köstlichen regionalen und saisonalen Spezialitäten in geschichtsträchtiger Kulisse. Hobby-Historiker erfahren alles über die Geschichte vom Schloss im Historama.Ein gastronomisches Highlight ist der Ritterbrunch: Jeden Sonntag ist von 10 bis 14 Uhr im eleganten Rittersaal eine großzügige Tafel eingedeckt.

 

Die kenntnisreiche Führerin erzählt aber auch schmunzelnd von der großen Rivalität der beiden Kantone Schaffhausen und Zürich. Hat Schloss Laufen einen gläsernen Fahrstuhl bekommen, so zieht man auf der gegenüberliegenden Seite mit zwei Fahrstühlen nach, die Gäste 75 Meter hoch hinauf von der Rheinebene zum Bahnhof „Neuhausen Rheinfall“ bringen. Einig ist man sich allerdings darüber, dass nach Einbruch der Dunkelheit der RheinfallRheinfall von beiden Seiten beleuchtet wird. Zu speziellen Anlässen wird er sogar farbig beleuchtet. Allerdings erlischt das Licht um Punkt 23 Uhr, da Fledermäuse nicht gestört werden dürfen. Was bereits auf Schaffhauser Seite zu großem Ärger geführt hat. Dort hat man der größten Besuchergruppe – der indischen – zugestanden, einen Imbisstand mit heimischen Spezialitäten errichten zu dürfen. Und das stieß bei Umweltschützern auf erheblichen Widerstand. Denn er steht heute genau über einer Höhle. Dort leben rund 320 kleinste, seltene Wasserfledermäuse. Hier vermutet man, dass die Tiere gestört und zum Beispiel durch versickernde Reinigungsmittel geschädigt werden können.RheinfallSehr attraktiv für Jung und Alt ist auf Schaffhauser Seite der neue Adventure Seilpark. Auf dem flächenmäßig größten Waldseilpark der Schweiz schweben Genießer und Sportler am Seil in luftiger Höhe mit freiem Blick auf den Rheinfall. Auch die Kleinstenhaben ihren Spaß auf dengroßzügigen Kidsparcours. Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer genießen die Wege am Fluss. Sind es doch alte Treidelpfade, auf denen Pferde in der vorindustriellen Zeit Lastenboote stromaufwärts gezogen haben. Heute schlendert man vom Rheinfall flussaufwärts größtenteils unter Bäumen vor der Sonne geschützt gerade mal drei Kilometer bis nach Schaffhausen. Seinerzeit entlud man hier die Boote mit der kostbaren Salzfracht – die über den nahen Bodensee kamen – vor dem drohenden Rheinfall. Schaffhausen in der RheinfallNähe der deutschen Grenze am Fuß der Festung Munot, den vielen Renaissancegebäuden und heute noch 171 Erkern, gilt als eine der besterhaltenenStädte im Land der Schweiz. Dabei schätzte die Damenwelt seinerzeit ihren Erker, um das Treiben der Händler und Mägde in ihren Gassen unbemerkt beobachten zu können. Damals transportierten die Menschen dann nach einer Stärkung in Schaffhausen die kostbare Salzfracht auf Ochsenkarren auf dem Landweg unterhalb des mächtigen Wasserfalls zum Schlössli Wörth. Heute erleben Gäste kulinarische Höhenflüge mit spritziger Aussicht direkt am Rheinfallbecken hinter schützendem Glas. Genau hier wurde damals in ruhigem Wasser alles wiederauf Boote geladen. Hier war auch gleichzeitig die Zollstation, bevor es dann auf dem Wasserweg weiter Richtung Basel ging. Mit dem Bau der ersten Eisenbahnlinie von Winterthur nach Schaffhausen wurde der Handel schneller, pünktlicher, billiger und wetterunabhängiger als auf dem Rhein. Noch heute nutzen viele internationale Rheinfallbesucher den guten Bahnanschluss wie die aus dem Iran stammende Negin und ihre Freundin Parmida.

 

Weitere Informationen:

 

Schaffhauserland TourismusHerrenacker 15, CH-8201 Schaffhausen,

Tel. 0041/526324020, www.schaffhauserland.ch/de/

 

Anreise:

Mit dem Zug entweder über Basel oder Stuttgart zum nördlichen Ufer nach Neuhausen am Rheinfall/Schaffhausen. 
Mit dem Auto aus Richtung Stuttgart:
A81 bis zur Schweizer Grenze. Achtung: nur wenige Kilometer auf der Schweizer Autobahn sind gebührenpflichtig. Besser über die Landstraße nach Schaffhausen und weiter Richtung Neuhausen. Dort beschildert bis zum Parkplatz Rheinfall.

Aus Richtung Basel: A3, Ausfahrt "Laufenburg" anschließend via Waldshut Richtung Neuhausen am Rheinfall. Weg zum Parkplatz beschildert. 

 

Übernachten:

Ich habe in Jestetten gewohnt (Deutschland, 1 Bahnstation zum Rheinfall): Ferienwohnung (ruhige Lage) 2-Zimmer, Küche, Bad, ca. 60 m², inkl. Bettwäsche, Terrasse, Parkplatz, Marija und Toni Gabrijel, Weinbergstraße 7A, 79798 Jestetten, Tel. 07745/5182 , pro Tag und Person 33,00 Euro, ab 3. Tag 28,00 Euro, Kinder 6,00 Euro, auch an Tagesgäste.

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