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Niederschlesien

Niederschlesien: Spektakuläre Architektur und unwiderstehliche Kochkunst

Niederschlesien


Von Gerd Krauskopf

 

Niederschlesien, die heutige polnische Woiwodschaft Dolnośląskieist reich an kulturellen Schätzen. Viele Völker haben links und rechts der Oder ihre Spuren hinterlassen - vor allem in der weltoffenen Hauptstadt Breslau, die seit 1945 wie die ganze Landschaft polnisch ist und Niederschlesienoffiziel Wrocław heißt. Neben den zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Veranstaltun- gen machen Spezialitäten der regionalen Küche jede Reise in diese Gegend zu einem nachhaltigen Genuss. 

 

So lassen auch wir uns in Breslau erst einmal die Liebe zum Land durch den Magen gehen, bevor die Besichtigungstour beginnt. Gegenüber den farbenprächtigen Bürgerhäusern am historischen Salzmarkt, Plac Solny – Veranstaltungsort für Feste, Märkte und Unterhaltungskünstler –, lockt der Schweidnitzer Keller, das wohl älteste Restaurant NiederschlesienBreslaus. Zum Auftakt probieren wir die traditionelle Sauerteigsuppe Żurek, die mit Wurst, Speck und einem Spiegelei serviert wird. Zum selbstgebrauten Bier des Hauses passt ein Thunfischsteak mit schwarzem Sesam, Kürbis, Püree, Sanddorn, Mousse und Spargel. Was für ein Einstieg!

 

Die Jahrhunderthalle von Breslau

Die Weltoffenheit ist in Breslau am besten rund um den multimedialen Springbrunnen inmitten des Szczytnicki-Parks, gleich neben der historischen Jahrhunderthalle, erlebbar. Dort sitzen vor allem am Abend Menschen aller Nationen und bestaunen die spektakulären Licht- und Wasserinstallationen.

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Wir haben es uns in einem Liegestuhl am hinteren Ende des größten Brunnens von Polen bequem gemacht und genießen die Multimedia-Wassershow. Dabei gleitet der Blick auf die Hala Stulecia, dieJahrhunderthalle, deren freitragende Kuppel mit 65 Metern Durchmesser als eines der wichtigsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts gilt. Ihre frühmodernistische, mächtige Gewölbe-Stahlbetonkonstruktion – in der der Petersdom in Rom dreimal Platz finden würde – war im Jahre 1913 derart spektakulär, dass selbst die begleitenden Ingenieure und Bauarbeiter Niederschlesiensich aus Angst vor dem Einsturz der Kuppel nicht trauten, die Verschalungen des ausgehärteten Betons zu entfernen. Die mussten dann vom damaligen Stararchitekten Max Berg persönlich entfernt werden. Seit 2006 steht die Jahrhunderthalle als Welterbe der Menschheit unter dem Schutz der Unesco.

 

Die Papiermühle in Duszniki-Zdrój

Eine weitere zukünftige Welterbestätte ist gut zwei Stunden Autofahrt südlich im Glatzer Bergland in Duszniki-Zdrój zu finden. Dort wird in der ehemaligen Papiermühle von 1562die Tradition des Papierschöpfens anschaulich gezeigt. Wir erfahren dortdass die Qualität des Papiers nicht nur König Friedrich II. von Preußen zu schätzen wusste, sondern auch die damaligen Künstler. So schrieb beispielsweise Frédéric Chopin auf eben jenem Papier dieser NiederschlesienPapiermühle seine Stücke. In einem kleinen, milchig weißen Wasserbecken mit Zellulose und Kleber dürfen wir dann nach Anleitung selbst Papier schöpfen. Dazu tauchen wir ein hölzernes Sieb in die Flüssigkeit ein, schaukeln es kurz und holen das Sieb aus der Brühe hervor. Und siehe da: Ein faserig-weißes Büttenpapier kommt zum Vorschein. Vorsichtig stülpen wir das Sieb auf ein Tuch und pressen es mit aller Kraft. Danach entfernen wir das Sieb und das Büttenpapier kommt zum Trocknen auf eine heiße Stahlwalze - fertig.

 

Besuch im Schloss Fürstenstein

Auf einem 400 Meter hohen Hügel bei Wałbrzych, früher Waldenburg, thront Schloss Fürstenstein. Mit 400 Räumen und einem 300 Hektar großen Park ist es das größte Schloss in Schlesien, inmitten von dichten Wäldern. Dort wartet bereits Mateusz Mykytyszyn, Pressesprecher und Verantwortlicher für Internationale Beziehungen des Schlosses. Er erzählt, dass die Geschichte des Geschlechtes von Fürstenstein bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Viele Besitzer veränderten das Schloss im Laufe der Jahrhunderte; heute präsentiert es sich als Niederschlesienharmonisches Ganzes. Der letzte aristokratische Besitzer war Hans Heinrich XV., Fürst von Pless, Graf von Hochberg. 1891 heiratete er die zwölf Jahre jüngere Maria Theresia Olivia Cornwallis-West, die Tante des späteren Ministerpräsidenten Winston Churchill, die als Daisy von Pleß zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten ihrer Zeit wurde. Wir sind begeistert von den denkmalpflegerischen Sanierungen der vielen Salons. Dabei fällt uns neben dem Weißen Salon im Rokoko-Stil, der als ehemals „Roter Salon“ mit ausgelagertem Mobiliar der Familie wieder ausgestattet ist, der „Maximiliansaal“ ins Auge. Er darf als beispielhaft und gleichzeitig als Maßstab für andere Räume und andere Schlösser gelten.

 

NiederschlesienWie viele Schlösser war auch Zamek Sarny, früher Schloss Scharfeneck – nahe der polnisch-tschechischen Grenze – in einem erbärmlichen Zustand, bevor es drei mutige Herren 2013 gekauft haben. Einer von ihnen Martin Sobczyk, der mit großem Stolz durch seine alten Mauern führt. Dabei hat er bereits einige Ferienzimmer, ein Restaurant und ein Café wunderschön Niederschlesienhergerichtet. In weiteren entkernten Räumen des Schlosses, in denen dort noch beim Kauf dreißig Menschen „hausten“, ist inmitten von rohen Wänden und provisorisch geschlossenen Fenstern eine Ausstellungs-Galerie entstanden, die zurzeit große Werke von Anna Maria Kramm, Professorin an der Breslauer Kunstakademiezeigt.

 

 

Die Fachwerkkirchen von Jawor und Świdnica
In Jawor, früher Alt Jauer, weitere zwei Stunden Autofahrt entfernt, 
erreichen wir die Friedenskirche, die älteste Fachwerkkirche von Polen. Sie wurde im Jahr 2001 in die Weltkulturerbeliste der Unesco aufgenommen, gemeinsam mit der ebenfalls noch existierenden NiederschlesienFachwerkkirche von Świdnica, Schweidnitz. Diese beiden niederschlesischen Friedenskirchen entstanden in direkter Folge des Westfälischen Friedens von 1648, mit dem der Dreißigjährige Krieg sein Ende fand. Die Fachwerkkirche von Jawor, auch bekannt als St. Michael-Kirche, wurde 1652 als Kirche für die Protestanten — die damals als Bürger zweiter Klasse angesehen wurden — erbaut und ist ein Beispiel für die traditionelle schlesische Holzbauweise. 
Beim Betreten der Kirche, in der 6200 Gläubige Platz finden, empfängt die Besucher ein warmer, holziger Duft. Die kunstvoll geschnitzten Holzarbeiten an den Wänden und Decken auf Niederschlesienvier Emporen — für eine evangelische Kirche ungewöhnlich — erzählen Geschichten aus vergangenen Zeiten. Die Glasfenster lassen das Licht in warmen Farben durch den Raum schimmern und verleihen dem Gotteshaus eine mystische Atmosphäre. Die Fachwerkkirche von Jawor — wie auch die von Świdnica — wurde von lokalen Handwerkern erbaut und ist ein Symbol für den Stolz und die Tradition der schlesischen Bevölkerung. Trotz der Jahrhunderte, die vergangen sind, ist die Kirche gut erhalten, obwohl sie baulich sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Noch heute wird sie für Gottesdienste genutzt.

 

Die gute alte niederschlesische Küche

Nach so vielen Besichtigungen wird es Zeit für weitere Entdeckungen der niederschlesischen Küche. Und die zelebriert im Kurort Polanica-Zdrój, früher Bad Altheide, Chefkoch Dariusz Kulczycki. „Von meiner Großmutter, einer begnadeten Köchin“, erzählt er mit leuchtenden Augen, „habe ich die Gene geerbt.“ Für seine Gäste im Restaurant Villa Polanica bereitet er am liebsten regionale Gerichte zu. Er bedient sich dabei der alten deutschen Kochbücher aus der NiederschlesienVorkriegszeit. Seit der Wende 1989 ist die deutsche Vergangenheit auch auf dem Herd wieder ein Thema. Seine Spezialitäten sind die feine Glatzer Forelle und die Schlesischen Kartoffelklöße, die unbedingt – wie es bereits seine Großmutter gemacht hat – am Vortag aus mehligen Pellkartoffeln zubereitet werden müssen. Die Klöße füllt er mit Pflaumen. Seine Köstlichkeiten sind ein unwiderstehliches Genusserlebnis und ein kulinarischer Höhepunkt zum Abschluss dieser wunderschönen Reise.

 

Weitere Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, Hohenzollerndamm 151, 14199 Berlin, Tel. 030/2100920, www.polen.travel

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