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Die Bletterbachschlucht

Vom Bletterbach zum Mars: Steinzeitwandern in den Dolomiten 

Die Bletterbachschlucht 

Mehr als 60.000 Menschen besuchen pro Jahr die Bletterbachschlucht. Im Spätsommer kommt auch die European Space Agency (ESA) nach Südtirol - und trainiert im Schatten des Weißhorns für ihre Marsmission.

 

 Von Marco Wehr

 

Die Bletterbachschlucht bei Aldein ist nicht nur ein Fenster zur Frühzeit der Erde. Im „Grand Canyon“ der Dolomiten stimmt Deutschlands Rekord-Astronaut Thomas Reiter im Rahmen des Projekts Pangaea den Astronautennachwuchs auf den Roten Planeten ein. Angehende Raumfahrer lernen in der fossilienreichen Schlucht während einer einwöchigen Feldforschung, wie man Spuren vergangenen Lebens in Gesteinen aufspürt. Und damit genau das, was auf Die Bletterbachschluchtunserem Nachbarplaneten einmal ihre Aufgabe sein soll. Science-Fiction? Wenn es nach der ESA geht, nicht mehr allzu lange. Spätestens 2040 sollen der erste Europäer Mars-Boden betreten. Thomas Reiter wird das definitiv nicht mehr sein. Der 61-Jährige, gebürtige Frankfurter unternahm als erster Deutscher einen Spaziergang im All und verbrachte fast ein Jahr seines Lebens auf den Weltraumstationen Mir und ISS. Von seiner Erfahrung profitiert auch die ESA-Gruppe, die Reiter Anfang September eine Woche lang vor Ort betreuen wird.

 

Warum gerade die Südtiroler Bletterbachschlucht ideal als Mars-Simulation taugt, liegt für Reiter auf der Hand: „Die Verhältnisse sind hier weltweit einzigartig. Sie kommen denen am nächsten, die wir vom Mars kennen. Vor allem der geologische Aufbau der Sandstein-Sedimente ähnelt allem, was wir bereits über den Roten Planeten wissen“, erklärt Reiter. Sein Team soll lernen, den Blick für geologische Prozesse zu schärfen und eines fernen Tages zu erkennen, ob es Spuren von Leben auf dem Nachbarplaneten gibt. „Dafür sind die Astronauten hier genau richtig“, bestätigt Peter Daldos, Präsident des Geoparc Bletterbach. „Seien es fossile Die BletterbachschluchtPflanzenreste, versteinerte Abdrücke von Sauriern oder Spuren von Schnecken oder Muscheln – die Gesteine in der Schlucht stecken voller Leben aus der Zeit, als die Dolomiten vor rund einer Viertel Milliarde Jahren vom Meer überflutet waren“, so Daldos. „Sie haben es nur in sich eingeschlossen.” Alexander Bisan antwortet nachdenklich, wenn man ihn auf die Mars-Pläne der ESA anspricht: „Für die riesigen Summen, die ein bemannter Flug zum Mars kosten wird, könnten wir auf der Erde viele Probleme lösen“, ist der Wanderführer überzeugt. Aber dass gerade dieses ungezähmte, wilde Terrain für die ESA von so großem Interesse ist, wundert den 45-Jährigen nicht. „Ich kenne auch keinen anderen Ort, an dem die geologischen Schichten so denen auf dem Mars ähneln, wie das hier der Fall ist. Wir Südtiroler haben den Mars quasi schon vor der Haustür“, so Bisan. Er steht mit seiner Wandergruppe an einem heißen Spätsommertag mitten im Bachbett in der „Gorz“, wie der Talabschluss des Bletterbachs heißt. Schutzhelme und festes Schuhwerk sind Pflicht für die Teilnehmer, denn jederzeit könnten sich Steine lösen und die bis zu 400 Meter hohen Felswände herabfallen.

 

Das Wasser des Baches schimmert eigenartig. Starke Regenfälle der vergangenen Tage haben oxidierte Eisenpartikel aus dem Gestein gelöst und färben das acht Kilometer lange Gewässer Die Bletterbachschluchtrostrot. Mit nur einem Ausfallschritt kann man an den meisten Stellen lässig über ihn hinüber gehen. Trotzdem sollte man ihn nicht unterschätzen, denn das kleine Gewässer leistet unaufhörlich Schwerstarbeit. Experten schätzen, dass der Bletterbach in den letzten 18.000Jahren schon mehr als zehn Milliarden Tonnen Steine ins Etschtal hinab verfrachtet hat.„Zu dieser Jahreszeit führt er kaum Wasser. Das ändert sich aber ab dem Herbst.“ Bisan zeigt mit der Hand nach oben zum Gipfel des Weißhorns. Der massive Bergkörper präsentiert sich Die Bletterbachschluchtzur Gorz hin wie eine aufgeschnittene Torte. Verwitterung und Abtragung lassen den „Corno Bianco“ seit der letzten Eiszeit seine Anatomie preisgeben. „Wo kann man schon in das Innere eines Berges schauen?“, fragt Bisan in die Runde. Der riesige Aufschluss eröffnet Perspektiven von außerirdischer Schönheit. Die fast unversehrten geologischen Schichten schimmern in allen Farben und sind voll mit Fossilien und versteinerten Abdrücken von Pflanzen und Tieren. Vom Vulkan- über Sand- bis zum Kalkstein ist alles dabei.

 

Für einige Minuten herrscht unter den Wanderern Steinzeit. Sie nehmen kleine Brocken aus dem Bachbett, wiegen sie prüfend in den Händen hin und her. Man einer mag sich auch wie ein Feldforscher fühlen und hofft auf einen paläontologischen Zufallsfund. Gut zwei Stunden später ist das Ziel nach mühevollem Marsch über Geröll und Kies erreicht. Höchste Achtsamkeit ist bei jedem Schritt erforderlich. Am Wasserfall am Butterloch endet der Weg. Hier ergießt sich der Die BletterbachschluchtBletterbach gut 30 Meter in die Schlucht – der kleine Aussichtspunkt ein Hotspot für Selfies. Der Rückweg zum Geomuseum in Radein ist von hier nicht mehr weit. Auf dem Parkplatz angelangt, verabschieden sich die Wanderer: „Die Bletterbachschlucht ist wie eine Arche Noah der Urzeit und birgt noch unendlich viele Geheimnisse“, gibt Bisan ihnen mit auf den Weg. Ob mit ihrer Hilfe auch irgendwann in den 30er-Jahren des 21. Jahrhunderts die Geheimnisse des Roten Planeten entschlüsselt werden können, steht allerdings in den Sternen.

 

Weitere Informationen:

 

Eggental Tourismus, Dolomitenstraße 4, 39056 Welschnofen, Italien, Tel. 0039/0471/619500, www.eggental.com 

 

Bletterbach: Der Bletterbach entspringt am Fuß des Weißhorns und mündet nach etwa acht Kilometern in den Schwarzbach, der wiederum in die nahe Etsch entwässert.

Öffnungszeiten: Die Bletterbachschlucht ist vom 1. Mai bis zum 31. Oktober täglich von 9.30 bis 18 Uhr für Besucher zugänglich. Vor der Anreise auf der Homepage oder telefonisch erkundigen, wie die Wetterverhältnisse sind. Bei schlechtem Wetter sind aus Sicherheitsgründen keine Besichtigungen möglich.

 

Anfahrt Besucherzentrum Aldein: Von Bozen fährt man auf der A22 in Richtung Trient bis zur Ausfahrt Neumarkt, dann über Montan hinein nach Aldein durch das Dorfzentrum. Nach etwa einem Kilometer rechts der Beschilderung Geoparc Bletterbach für vier Kilometer folgen. Auch von Radein oder dem Jochgrimm aus ist die Schlucht zu erreichen.

 

Unterkunft: Zum Beispiel das Sport- und Wellness-Hotel Erica, Hauptstraße, 17, I-39050 Deutschnofen, www.erica.it 

 

Alle Informationen rund um das Pangaea-Projekt der ESA finden sich unter www.esa.int/caves 

 

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