Menschen, Reisen, Abenteuer Headgrafik

Südtiroler Verkehrsverbund

Südtirol: Mit dem Öffi zur Almhütte

Südtirol, Vellau

Mit festen Routen bringt der Südtiroler Verkehrsverbund in der nördlichsten Provinz Italiens Fahrgäste in die entlegensten Täler und zu reißenden Wildbächen

 

Von Gerd Krauskopf

 

 Ein Turmfalke lässt sich hoch über dem Meraner Land in der Thermik treiben. Fasziniert beobachtet Apfelbauer Alois Schweigl (85) die eleganten Flugkünste des Greifvogels. Als der Falke vor einer Bergweide in der Luft stehen bleibt und zum „Rüttelflug“ ansetzt, ist sich der Apfelbauer in Vellau am Fuße der mächtigen Texelgruppe sicher, dass er gerade seine Beute entdeckt hat. „Vielleicht eine Feldmaus“, meint er mit hochgezogenen Augenbrauen. Plötzlich Südtirolsetzt der Vogel zum Sturzflug an und entschwindet aus dem Blickfeld. Der Südtiroler schaut ihm hinterher ins 700 Höhenmeter tiefer liegende Meraner Tal. Dort unten sind schon die Kelten und die Römer vor über 2000 Jahren auf ihrem Weg über die Alpen gezogen. „Die Römer“, so der Ortskundige, „haben dort die bestehenden Verbindungswege der Kelten genutzt und ihre Via Claudia Augusta angelegt, die Norditalien mit dem süddeutschen Raum verbunden hat.“

 

Heute ist dieser ehemalige römische Handelsweg entlang der reißenden Etsch durch den Vinschgau von Meran aus über den höchsten Punkt — den Reschenpass — perfekt ausgebaut, die Dörfer und Städte entlang der Berge bis hinein zum letzten Berghof gut erreichbar. Wo sich einst Kelten und Römer die Füße platt liefen, bewältigen heute Urlauber diese Strecke innerhalb weniger Stunden mit ihren Fahrzeugen. Sie bewundern alles, was sich in Südtirol nur irgendwie zu bewundern lohnt. Und das können sie ganz bequem, indem sie den Wagen vor ihrem SüdtirolDomizil stehen lassen und in einen der Busse des Südtiroler Verkehrsverbundes steigen. Diese fahren täglich, oft auf abenteuerlichen Serpentinen, hoch und runter, quetschen sich in die entlegensten Täler, ohne Rücksicht auf die ansehnlichen ökonomischen Defizite. Die trägt das Land Südtirol und beauftragt mit allen Linien mehrere private Unternehmen. Der Feriengast berappt gerade mal seine Ortstaxe in seinem Ferienort. Dafür können Besucher mit der Gästekarte Südtirol kostenlos alle Busse, Züge und verbilligt Seilbahnen und viele andere Vergünstigungen nutzen. Nirgendwo in ganz Südtirol kommen mehr hellgrüne Busse an und fahren pünktlich ab als auf den Busbahnhöfen in Meran, Bozen und Brixen.

 

So fährt zum Beispiel ein kleiner Bus der Linie 235 von der Kurstadt Meran mit ihren hübschen Laubengängen, in der bereits Kaiserin Sisi zu Gast war, hinauf nach Vellau. Die ersten paar Kilometer ins benachbarte Algund verlaufen über die fast schnurgerade Hauptstraße. Dann geht’s steil auf kurvenreich schmaler Straße rund sechs Kilometer hoch hinauf. Dabei lenkt der routinierte Fahrer seinen Bus durch Postkartenmotive aus Apfelplantagen, Weinreben, SüdtirolBerghöfen und äußerst schmalen Hofschaften wie dem Algunder Ortsteil Oberplars mit seiner malerisch kleinen spätgotischen St. Ulrichkirche, die 1493 erstmals erwähnt wurde. Das Auge hat Zeit, die blumig herausgeputzten Grundstücke und Bauten zu genießen. Bevor jede enge Kurve mit dem kleinen Bus gemeistert wird, was den entgegenkommenden fremden Fahrern den Angstschweiß auf die Stirn treibt, quert aus dem Wald kommend der beinahe museal anmutende, unter Denkmalschutz stehende Einser-Sessellift in luftiger Höhe die Straße. Entspannt steigen die Fahrgäste nach gut einer halben Stunde auf dem Aussichtsbalkon Vellau aus.

 

Sonnige Urlaubstage sind mit einigen Wanderungen vergangen. Im Nationalpark Texelgruppe von Vellau aus zum Beispiel mit der liebevoll gepflegten Oldtimer-Stehgondel zur Leiteralm und Südtiroldort Höhenwanderungen oder auf den Waalwegen mit ihren künstlich angelegten Bewässerungskanälen. Nun zieht es mich hinaus in die Täler. Ich wähle das Ultental. Bequem wechsele ich in Meran an der Therme den Bus und steige in die Linie 245 ein. Hinter Lana ist der Einstieg ins Ultental. Hier wacht hoch über dem reißenden Gebirgswasser der Falschauer Schloss Braunsberg. Dabei ist der tosende Fluss tief unter dem Schloss der ständige Begleiter bis zu den über 40 Kilometer entfernten Ortler-Alpen im Nationalpark Stilfserjoch. Es sind Orte mit großem Naturreichtum und von atemberaubender Schönheit. Mancherorts erblicken die SüdtirolAugen hoch oben auf einsamen Almen jahrhundertealte Bauernhöfe mit steinernen Fundamenten, verwitterten Holzfassaden und schweren Schindeldächern, die verstreut an steilen Hängen hocken. Höfe, wie man sie andernorts in Bauernhausmuseen zu sehen bekommt. Je weiter der Bus ins Tal vordringt, desto mehr erlebt man dessen Ursprünglichkeit, oft unberührt sind es wahrlich verborgene Naturjuwele, die von mächtiger Bergwelt eingerahmt sind. An jedem Ort weisen Schilder mit „Klapperstörchen“ auf Babys hin, die das Licht der Welt erblickt haben.Südtirol

 

Wo man einst nur mühsam mit Ochsenkarren oder Pferdekutschen ins Hochtal kam, befuhr erst 1927 der erste Bus eine befestigte Straße. Lange davor entdeckte jedoch die Hautevolee bei St. Pankraz in einem Seitental den kleinen Weiler Mitterbad, der sich Anfang des 19. Jahrhunderts als eines der meistbesuchten Bäder im deutschen Raum etablierte. Dort zog es berühmte Gäste nicht nur wegen seines arsen-, eisen- und phosphorhaltigen Heilwassers hin, Südtirolsondern auch manche Romanze ist heute noch belegt. So die von Otto von Bismarck, dem späteren Reichskanzler. Der verliebte sich als junger Stammgast Anfang der 1840er-Jahre in die sechzehnjährige Schönheit Josepha Holzer, Tochter des Badwirts. Als er um ihre Hand anhielt, lehnte der potenzielle Schwiegervater aus konfessionellen Gründen eine Hochzeit ab. Auch Sisi, Kaiserin Elisabeth von Österreich, die ab 1871 mehrmals dort logierte, sagt man dort ein Techtelmechtel nach.

 

Heute ist Mitterbad nur noch eine Ruine im Wald. Dort, wo früher böhmische Kapellen vor illustren Gästen in herrschaftlichen Häusern aufspielten, sind nur noch Häuserfragmente übrig, wobei das Bad noch bis in das Jahr 1971 betrieben wurde. Obwohl die Ultentaler die Pflege ihres Erbes und Brauchtums ernst nehmen, haben sie dieses Juwel wahrscheinlich aus dem Auge verloren, denn man erinnert sich heute kaum noch an diese große Zeit. Geblieben ist, was früher als diätische, atmosphärische und hydratisierte Kur praktiziert wurde — Waldspaziergänge in frischer Luft, Wassertreten und für ganz Hartgesottene das Planschen unter Wasserfällen.

Südtirol 

Klugerweise hat man auf den Bau von Funparks im Ultental verzichtet. Dafür steige ich in St. Gertraud mit Bergwanderern und Gipfelstürmern mit ihrem neuesten alpinen Outfit aus dem Bus. Während die Bergfans schnell entschwinden, bestaune ich die imposanten Naturschauspiele der drei 850 Jahre alten Urlärchen. Sie gehören zu den ältesten Nadelbäumen Europas. Bei einem Kaffee kommen mir die Naturjuwele und unverkennbarenSüdtirolKulturräume in den Sinn, die so reich an Kontrasten sind und eine wahre Oase bilden. Auch die Almen, das satte Grün und die schroffen Gipfel laden zum Immerwiederkommen ein.

 

Weitere Informationen:

 

Tourismusbüro Algund, Hans-Gamper-Platz 3, I-39022 Algund bei Meran(BZ), Tel. 0039/0473/448600, www.algund.info/de/willkommen.html

Südtirol

 

Unterkunftsempfehlung:

Residence Vellauerhof, Vellau 32, I-39022 Algund. Tel. 0039/0473 448544, www.vellauerhof.com, Familie Schweigl hat 700 Höhenmeter über Meran 12 neue Ferienwohnungen mit wunderbarem Ausblick über das Etschtal erstellt. Die Ortstaxe beträgt hier 1,05 EuroSüdtirol

 

Die Ortstaxe im Vinschgau beträgt im Sommer 2021 in Algund je nach Unterkunftskategorie zwischen 0,85 € und 1,60 € pro Person und Nacht. Die Gemeinden haben jedoch die Möglichkeit, die Ortstaxe auf maximal 2,50 € anzuheben, falls das Geld einem besonderen Vorhaben zugute kommt und ein Gutachten der Tourismusorganisation vorliegt.

Südtirol

Cookie-Einstellungen l Powered by: AOS - Admin in Eislingen - Homepages vom Fachmann
Menschen, Reisen, Abenteuer