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Kabeljauschwärme auf den Lofoten

Norwegen: Winter auf den Lofoten

 

Lofoten

 

Die Hochburg des Winterkabeljaufangs befindet sich von Januar bis April weit oberhalb des Polarkreises im Arktischen Ozean 

 

Von Gerd Krauskopf

 

 Gnadenlos peitschen an diesem Morgen die mächtigen Wellen der arktischen See an die stabile Bordwand des Fischkutters Tunfisk“. Mit festen Händen halte ich mich bei Svein in der mit Computern vollgestopften, mollig warmen Steuerkabine fest. Draußen, in arktischer Kälte, holt Fischerkollege Rolf Sjo auf dem Bug gut eingepackt in wasserdichtes Ölzeug das Netz aus der vom Sturm gepeitschten See. Dabei dreht sich mit voller Kraft das große Rad und zieht das schwere Fischernetz aus dem Wasser. Als der erste große Kabeljau im Netz auftaucht, erhellt sich Sveins Gesicht. Ein Freudenschrei von Rolf Sjo ist bis in die Kabine zu vernehmen. Dann geht es Schlag auf Schlag. Jeder ankommende Fisch wird mit einem Messerstich getötet und landet in einem mit Wasser gefüllten Tank, dessen blutrot gefärbtes Wasser durch das Schaukeln des Bootes bald überläuft. Nach getaner Arbeit werden dann zwei Netze ausgelegt.

 

LofotenDass es so ein guter Fang werden würde, hätten sich die beiden Fischer gestern nicht vorstellen können. Da hatten sie keine große Hoffnung, dass die Kabeljauschwärme gerade an dieser Stelle vorbeiziehen würden. Und so hoffen sie bei der Rückfahrt darauf, dass sie morgen die doppelte Menge herausziehen werden. Während hinter den leicht beschlagenen Seitenfenstern am Horizont die gigantisch bizarre Kette schartiger, fast 1000 Meter hoher Gipfel auf- und niederschaukelt, vermutet man dort drüben keine karibischen Strände. Dabei hat sich das Nordmeer in Jahrmillionen mit Hilfe des milden Golfstroms tief in das älteste Gestein der Welt hinein gefressen und feinste Strände mit einer überraschend vielfältigen Vegetation hinterlassen. Das interessiert meine beiden hart gesottenen Fischer jetzt aber nicht, bei ihnen ist dank ihres guten Fischfangs beste Stimmung angesagt. Man erzählt mir, dass der Winterkabeljau zwischen Januar und April in riesigen Schwärmen aus der Barentssee in diese Gewässer kommt

LofotenUnd dafür haben sie – wie viele ihrer Fischerkollegen aus anderen Landesteilen Norwegens – die dreitägige Winterfahrt mit ihrem Fischkutter aus Bergen in Kauf genommen. Die Fischmassen sorgen für die größte Saisonfischerei der Welt. Verdoppelt sich die Bevölkerungszahl auf den Lofoten in den kurzen Wintermonaten doch mit vielen ortsfremden Fischern. „Durchschnittlich“, erzählt Rolf Sjo voller Stolz, „werden mehr als 60000 Tonnen Fisch an Land gebracht“. Die sichern nicht nur den Lebensunterhalt der „Lofotinger“. Der Knochenjob lockt mit der Aussicht, in ein paar Monaten Geld für ein ganzes Jahr verdienen zu können.

 

Im sicheren Hafen von Svolvær angekommen, wird der Fang abgeliefert. Danach machen es sich die beiden Fischer – die auf ihrem Boot wohnen – erst einmal gemütlich. Während der Teekessel auf dem kleinen Gaskocher in der beengten Kajüte pfeift, ist nicht zu überhören, dass die jungen Männer traurig sind, von Freunden und Familie so weit entfernt zu sein.

LofotenIrgendwann habe ich in Svolvær, dem Verwaltungszentrum der Kommune Vågan, wieder festen Boden unter den Füßen. Und die schlendern dann gemütlich über die Hafenpromenade, vorbei an modernen Glasfassaden. Auf der Suche nach einem Restaurant passiere ich ein Einkaufszentrum, mehrere Supermärkte und Baustellen weiterer Hotelglaspaläste.

 

Früh am Abend sitze ich dann gemütlich in meinem kleinen Fischerhäuschen. Der Sturm hat seinen Höhepunkt erreicht. Der Boden des weit über 100 Jahre alten Holzhauses vibriert leicht. Da heutzutage die fremden Fischer direkt auf ihren Booten leben, sind solche Fischerhütten überall an den Küsten wunderschön für Touristen restauriert worden. Früher hatten alle diese Hütten zwei Räume, in denen je zehn bis zwölf Fischer in Kojen schliefen. Meistens zu zweit in Lofoteneiner Koje, um es warm zu haben. Durch Zufall erlebe ich beim Blick durch ein kleines Fenster einen magischen Moment. Da tanzen unglaubliche Farben über dem arktischen Himmel und das Nordlicht, die spektakuläre Aurora Borealis, lässt mein Herz höher schlagen.

 

Als ich am nächsten Morgen aus meiner Hütte trete, will ich mir den Kabeljau näher ansehen. Hängen doch unzählig viele dieser Fische an Trockengestellen in der Nähe meiner Hütte. Man Lofotenhat ihnen die Eingeweide entfernt, die Köpfe abgeschnitten und sie paarweise an den Schwänzen aufgehängt. Die Zungen, so habe ich erfahren, werden von den Kindern zum Aufbessern ihres Taschengeldes herausgeschnitten und als Delikatesse an die Einheimischen verkauft. Während sie hier jetzt bis zum Frühjahr trocknen, sind alle auf die Qualität dieser Stockfische gespannt. Die besten der konservierten Fische treten ihre letzte Reise als Delikatesse für Restaurantküchen rund um den Erdball an. In früheren Jahrhunderten wurden sie zum Versorgen von Schiffsmannschaften und Soldatenheeren genutzt.

LofotenDa Stockfisch heute als Delikatesse weltweit gefragt ist, bedarf es auf den Lofoten einer besonderen Logistik. In einer der vielen Fischfabriken treffe ich Øyvind, durch dessen Hände die getrockneten Fischleiber gehen. Auf den Lofoten waren sie einst, noch in ausreichender Menge vorhanden, ein „Arme-Leute-Essen“. Øyvind prüft die Qualität jedes einzelnen Fisches für den Handel und teilt sie in drei Hauptkategorien ein: Prima, die beste, Sekunda, die mittlere und Tertia, die niedrigste Qualität. Innerhalb der drei Hauptkategorien gibt es noch 20 weitere LofotenEinstufungen. Jeder einzelne Stockfisch wandert nach exakter Inaugenscheinnahme durch den Fachmann in eine der bereitstehenden 20 Boxen, die das spätere Preisniveau bestimmen. Kein Wunder, dass Øyvind dank Präzision und jahrelanger Erfahrung einen der wichtigsten Jobs in der Fabrik hat. „In einem Jahr gibt es viele schlechte Fische“, unterbricht er mal kurz seine Arbeit, „dieses Jahr sind sie sehr gut. - Jede Menge 1a-Qualität und wenig Fehlware“, strahlt er.

 

Nach riesigen Stapeln von Fischleibern spaziere ich am Nachmittag etwas außerhalb von Svolvær mit seinen fast 5000 Einwohnern. Umgeben ist das Hafenstädtchen von mächtigen Bergen. Der Spektakulärste ist der Svolværgeita. Seine 590 Meter hohe Kuppe prägen zwei Lofotennebeneinander aufragende schmale Felszacken, geformt wie Ziegenhörner. Dort hinauf stiegen früher viele Fischer, um den ersten gefangenen Lofoten-Kabeljau der Svolværgeita zu opfern. Wahnwitz war das todesmutige Turmspringen von einem Felszacken hinüber auf eine tischgroße Felsplatte.

 

Weniger spektakulär verbringen meine beiden Fischer Svein und Rolf Sjo den Tag. Das Boot liegt gut stabilisiert im Hafen, weil Sturm und peitschender Regen bis in den frühen Morgen das Auslaufen verwehrten. Während ich auf Stiegen die Kaimauer hinunter steige, höre ich bereits das Pfeifen des Teekessels. Das verspricht einen gemütlichen Spätnachmittag in der mollig warmen Koje.

Lofoten

 

Weitere Informationen:

 

Norwegens offizielles Reiseportal ist www.visitnorway.de,

Die Lofoten unter www.visitnorway.de/reiseziele/nordnorwegen/die-lofoten-inseln

und Svolvær auf www.fjordtours.com/de/reiseziele-in-norwegen/svolvaer 

Lofoten

 

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